Die  Perlen  von Caala~Elen  Spielregeln Eingang E-Mail Übersicht
 
vorherige Episoden: 

Ein Gelehrter auf Abwegen - E28 (Jehuda)

Anitra E29
Ngzorr, Onnaros treuer und einsilbiger Assistent, sendete nur eine wortlose freundliche Grußemotion, als sich der magische Tunnel geöffnet hatte, und begab sich gleich nach draußen. Seine Wortkargheit wurde nur von seinem Enthusiasmus übertroffen, mit dem er sich den gemeinsamen Forschungen widmete.

Onnaro war recht froh darüber, nun ungestört alleine im Laborbereich zu sein. Nach all dem Ärger und der Aufregung im Senat brauchte er nun ein Gegengift. So beschloß er, Anitra in ihrer Zelle aufzusuchen, das letzte ihm verbliebene Labortier, seitdem ihr Zwillingsbruder Thorstin und die damals erst dreijährige Karrikkra für ein militärisches Forschungslabor auf dem Kontinent requiriert worden war. Er hatte nie wieder etwas von ihnen gehört, denn die militärischen Forschungen unterlagen allerstriktester Geheimhaltung.

Insgeheim hatte Onnaro gehofft, Anitra bereits schlafend vorzufinden. Dann hätte er sich einfach nur über sie gebeugt, und sie betrachtet – eine ziemlich irrationale, aber ihm liebgewordene Gewohnheit. Anitra war sein ganzer Stolz. Mit Geduld, Zuwendung und seiner von ihm entwickelten gewaltfreien Erziehungsmethode hatte er dem aufgeweckten Kind mit der Zeit so manches beigebracht, wozu nach allgemeiner Lehrmeinung nur viel höherstehende Lebensformen fähig waren. Beispielsweise beherrschte Anitra fließend und ohne Mühe die mentale Kommunikation, wenn auch nur bei Sichtkontakt.

„Ist’s die Sehnsucht, die dich so spät noch an meine Schlafstatt treibt, mein Meisterchen?“ empfing sie ihn mit einer schalkhaften Subemotion und vergnügt funkelnden Knopfaugen, ohne ahnen zu können, wie sehr sie damit genau ins Schwarze traf. „Oder willst Du im Mondschein Unterricht halten?“

Sie hatte sich auf den Tisch gesetzt und ließ kokett ihre Beine baumeln. Ihr einfaches weißes Plaid, mit dem die Laborcaalaer ausgestattet waren, hatte sie kunstvoll zu einer Art Tunika geschlungen, die ihre linke Schulter frei und ein Stückchen Brustansatz sehen ließ. In der Taille hatte sie die Falten gerafft, und aus ihrem um die Hüfte geschlungenen Bettlaken hatte sie eine Art links und rechts hochgeschlitztes Kleid improvisiert. Sie war schon immer etwas verspielt, aber seitdem sie zu einem geschlechtsreifen jungen Caalaerweibchen herangereift war, probierte sie mit viel Ernsthaftigkeit verschiedene Frisuren und Kleidungen aus, soweit dies eben möglich war.

„Nichts von beidem!“ log Onnaro. „Ich muß nur noch, äh, eine kleine Messung durchführen.“

Aber Anitra war längst aufgesprungen und wirbelte um ihn herum.

„Gefall ich dir? Gefall ich dir? Ge-fahalle-ich dir?“ sang sie nun mit ihrer glockenhellen Stimme, während sie mit anmutigen Bewegungen einen wilden Tanz aufführte.

Tatsächlich war ihr Aussehen, nach elendarischen Maßstäben, geradezu widerlich und ekelerregend. Statt eines gesunden Orangebraun wies ihre Haut einen ganz hellen Farbton auf, und viel schlimmer: sie hatte nach Caalaerart nur ein ganz rudimentäres, oder wie die Elendaren es empfanden: verkrüppeltes Fell! Abgesehen von ihrem langen, seidig-rehbraunen Haupthaar waren nur unter ihren Achseln und zwischen ihren Beinen kleine Fellreste gewachsen. Auch ihre wohlgeformten, aber viel zu kleinen Brüste würden wohl niemals je dem Schönheitsideal der Elendaren gemäß bis zum Bauchnabel herabhängen können... 

„...Gefall ich dir? Gefahallall ich dir?...“

„Ani...“

Übrigens schienen auch die wilden Caalaer selber ihren Körper offenbar peinlich und häßlich zu finden. Natürlich benötigten sie wegen ihrer Unzulänglichkeit schon zum Schutz vor Nässe und Kälte Kleidung. Aber selbst bei optimalen Wärmebedingungen verhüllten sie in der Öffentlichkeit stets Teile ihres Körpers.

„...Ich dir, dir, mein Meister dir?...“

Onnaro allerdings war seit Jahrzehnten an den Anblick von Caalaern gewöhnt. Wie für jeden, der seinen Beruf liebt, hatte der Gegenstand seiner Forschungen für ihn einen ganz eigenen ästhetischen Reiz. Für ihn war Anitra, auf ihre Weise, schön. Jetzt war da noch mehr, etwas anderes... Anitra tanzte wie entfesselt um ihn herum. Sie bewegte sich ganz unschuldig und natürlich. Aber ihre fließenden, grazilen Bewegungen, ihre provozierenden Hüftschwünge, alles... es erinnerte in fataler Weise an einen Eleihu, den Heiligen Rituellen Hochzeitstanz! Natürlich war es völlig unangebracht, bei solchen Bewegungen niederer Caalaer an hochheilige Mysterien auch nur zu denken.... und doch... es ließ ihn nicht unbewegt, sie so zu sehen...

„nur dir, dir, dir, dir...“...

„Anitra!!!“

Sie erstarb mitten in der Bewegung. So streng hatte sie ihn schon lange nicht mehr erlebt. Erschrecken. Fragende Augen. 

Weiter geht es so:

Mit zitternden Händen - E30 (Jehuda)