Die  Perlen  von Caala~Elen  Spielregeln Eingang E-Mail Übersicht
 
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Die Pflicht eines Häuptlings - E18 (Eumel)

Invisible E25
„Wenn ich nur wüsste, wohin sie gegangen sind, bei den drei Säulen!“ Urian wischte sich fluchend den Schweiss von der Stirn, der ihm in kleinen Rinnsalen über das Gesicht lief, und immer wieder auch brennend in seine Augen trat. Jean ging es nicht besser, ihre eng anliegende Kleidung zeigte dunkle Flecken an Stellen, die Urian unter anderen Umständen ganz besonders interessiert hätten. Im Moment erlaubte er sich Gedanken in dieser Richtung allerdings nicht. Obwohl ihn die katzenhafte Frau bereits außerordentlich beeindruckte.  

*** 

Nachdem sie sich gerade vergewissert hatten, dass das wilde Wesen, mit dem Jean gekämpft hatte, tot war, mussten sie sich in Windeseile hinter einem kleineren Krater in Sicherheit bringen, denn es näherte sich eine fünfköpfige Gruppe von Gestalten, die dem Toten aufs Haar ähnelten. Zwar verfügten sie über zwei Beine und Arme, und sahen auch sonst in ihrer Körperform relativ menschlich aus, aber ansonsten waren sie von völlig befremdenden Äußeren. Ihre Haut, auch die im Gesicht, war von tiefem Rostrot und wirkte ledern, spröde zerfurcht, wie die dicke Haut eines Elefanten. Jean erzählte Urian zu einem späteren Zeitpunkt, dass die Augen des Wilden, mit dem sie gekämpft hatte, ausgesehen hatten, als leide er unter schwerster Gelbsucht – dazu schimmerte die Iris rötlichbraun. Die Haare waren bei allen überschulterlang, einem von den Fünfen wehten sie sogar um die Knie. Sie trugen nichts außer lendenschurzartigem graubraunen Stoff, der um ihre Hüften gewickelt schien, und Speere in den Händen.  

Beim Anblick ihres toten Kameraden erhob sich ein zorniges Geschrei von derartig mörderischer Wut, dass Jean Urian an der Hand packte und im Blickschutz des kleinen Kraters mit sich fortzog, aus Angst, die Gruppe würde die Gegend nach den mutmaßlichen Mördern absuchen. Da nichts dergleichen geschah, schlichen sie wieder ein Stück näher heran und beobachteten, wie sich vier der Gestalten den Toten auf die Schultern luden und alle das Gebiet in unbestimmter Richtung verließen.  

Urian und Jean folgten ihnen in sicherem Abstand, immer darauf bedacht, ein Versteck in der Nähe zu haben, hinter dem sie nötigenfalls sofort in Deckung gehen konnten. Doch die Wilden blickten sich kein einziges Mal um. 

Schließlich wurde deutlich, auf welches Ziel sie zuhielten. Ein riesiger Vulkan erhob sich in der Ebene. Ein tätiger, wenn auch schwerfällig tätiger Vulkan. Er spuckte kleine schwarze Aschewolken und an seinen Seiten flossen schmale zähflüssige Lavaströme bedächtig herab. Die Rothäutigen liefen mit traumwandlerischer Sicherheit um die Geysire herum, suchten sich geeignete Stellen, um flüssige Lava mit einem großen Schritt zu übersteigen, ohne in ihrer Gangart langsamer zu werden. Urian und Jean hatten jetzt Mühe, ihnen zu folgen. Schließlich traten sie in den Schatten des Vulkans und waren eine Sekunde später verschwunden. 

Vorsichtig arbeiteten sich der Dieb und seine Begleiterin an den mächtigen Berg heran. Die Hitze, die ihnen entgegenschlug, wollte ihre Lungen schier zerreißen. Sie atmeten flach und gepresst. An der Stelle, an der die Gruppe verschwunden war, entdeckten sie eine schmalen Spalt im Vulkangestein und zwängten sich so lautlos wie möglich hindurch, mehrere Meter beängstigende Dunkelheit mussten sie dabei zurücklegen. Dann kam ein rotes Glühen näher und am Ende des Spaltes erwartete sie das feurige Innere des Vulkans. Auf einem schmalen Grat entlang eines tief abfallenden Trichters gingen sie vorsichtig, auf jeden ihrer Schritte achtend, vorwärts, und versuchten herauszufinden, wohin die Gruppe mit dem Toten verschwunden war. Doch sie fanden nichts. Die Vulkanwand, an der sie entlang schlichen, und ein feuriger blubbernder See in der Tiefe des Trichters war alles, was sich ihren Augen offenbarte.   

Nach, wie es schien, stundenlangem anstrengenden Wandern hatten sie schließlich erschöpft eine Pause eingelegt.  

*** 

Jean bemerkte Urians Blicke auf ihrem Körper wohl, aber sie sagte nichts dazu. Dass sie keinem Mann erlaubte, auch nur einen Finger an sie zu legen, würde sie ihm noch früh genug beibringen, falls es nötig war.  

„Dein Geschrei nutzt uns auch nichts“, erwiderte sie kühl. „Sie sind hier hineingegangen und ich fühle, dass sie sich noch immer im Innern des Vulkans befinden. Wir müssen noch einmal rund herum laufen. Irgendetwas haben wir übersehen.“ 

„Ja ja“, meinte Urian missmutig. „Oder wir sehen es die ganze Zeit und merken es bloß nicht.“ 

Er konnte nicht wissen, wie nahe er damit der Wahrheit war. Denn die mentale Kuppel der Elendaren schwebte direkt vor ihnen - unsichtbar inmitten des Trichters. 
 

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Ein Gelehrter auf Abwegen - E28 (Jehuda)