Die Perlen von Caala~Elen | Spielregeln | Eingang | Übersicht |
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Rinook's Treffen -
E1 (Anna Wagenhäuser)
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Der Gast | E6 |
„Riynee?“ Blark stand am Rande des Tümpels und rief
laut ihren Namen. „RIYNEE???“
Der Tümpel lag im Garten hinter ihrem Haus, auf der Seite, die sie fast völlig hatten verwildern lassen, vor unerwünschten Blicken verborgen zwischen dichten Mirosenhecken, grellgrünem wucherndem Tangleu und hohen dichten Eripsen. Der Duft der blühenden Mirosen war von beinahe erdrückender Süße. Ein Zwitschern von unzähligen Schnäbeln war in der Luft, Hunderte kleiner Singvögel hatten ihre Familien rund um den Teich gegründet. Dessen Wasseroberfläche glänzte matt ölig und schaukelte unterschiedlich bunte Arten von Seemirosen sanft im leichten Wind. Blark gewahrte den pfeilschnellen Schatten tief unten im Wasser erst kurz vor seinem Auftauchen. Riynees gertenschlanker Körper schoss empor, sie hatte die dunklen Augen weit geöffnet, die Arme eng an die Seiten gepresst. Im Flug drehte sie zwei elegante Spiralen und landete sicher auf beiden Füßen direkt vor ihm. Wie ein nasser Hund schüttelte sie sich lauthals lachend, und die Tropfen aus ihrem wolkenhellen langen Haar hüllten ihn in einen Silberregen. Blark schluckte schwer. Wie immer nahm ihm der Anblick
der Frau seines Bruders fast den Atem. Besonders, wenn sie so vor ihm erschien
wie eben. Er blickte leicht betreten zur Seite, denn Riynee pflegte niemals
ein Kleidungsstück anzulegen, wenn sie sich im Tümpel aufhielt.
„Wasser ist mein Element,“ sagte sie immer. „Nichts soll zwischen mich
und mein einziges Verlangen kommen.“ Blark wünschte sich, dass es
sie noch nach anderem verlangte. Einer zärtlichen Beziehung zu einem
stattlichen Caalaer, wie er einer war, zum Beispiel. Aber wie es schien,
hatte sie alle Bedürfnisse dieser Art nach dem Tode ihres Mannes mit
ihm zu Grabe getragen. Dabei war sie noch so jung - er konnte und wollte
einfach nicht akzeptieren, dass ihre Entscheidung eine endgültige
sein sollte.
„Fertig für heute?“ fragte sie freundlich und hakte ihn unter. „Möchtest du etwas essen?“ Gemeinsam gingen sie hinüber ins Haus. „Es steht gut auf den Feldern“, erzählte er, während er sich an den breiten, mit einer Decke in blauem Mirosenmuster bedeckten Tisch setzte. Riynee hantierte am Herd. „Die Investition in die neuen Caalampions macht sich wirklich bezahlt," fuhr er fort, „alle Früchte sind angegangen. Keine, die niedriger wäre als ein Handbreit.“ Ein Teller voll angenehm riechendem heißen Babita wurde vor ihn gestellt. Riynee reichte ihm dazu einen Löffel und setzte sich mit einem eigenen Teller zu ihm. Sie strahlte ihn an. „Das hört sich fantastisch an. Eine gute Ernte?“ Blark genoss sein Essen. Schenkte sich und Riynee aus der Karaffe eisgekühlten Zarnwein ein. Er nickte zu ihrer Frage. „Wenn sich das Wetter so hält, ja. Und wenn wir die Orkanienzeit besser überstehen als im letzten Jahr.“ Auf Riynees Stirn bildete sich eine kleine Sorgenfalte. Blark beobachtete die kleine Kerbung in ihrem sonst so glatten blassgrünen Gesicht mit einer gewissen Zärtlichkeit, die bewirkte, dass er den Löffel voll Babita sekundenlang vor seinem geöffneten Mund in der Schwebe hielt, ohne es zu bemerken. Ihre Worte brachten ihn wieder zu sich und der Löffel setzte sich in Bewegung. „Es bleibt aber doch bei unserer Abmachung, nicht wahr?“ Er lachte. „Aber ja, meine Schöne. Noch heute werde ich mich auf dem Markt nach den Schutzkuppeln umsehen. Ich fahre gleich hinüber.“ „Das ist aber praktisch“, Riynee nahm einen Schluck aus ihrem Glas, „Rioos und Rinook sind auch dort, vielleicht triffst du sie. Dann kannst du sie gleich mitbringen!“ Blark nahm einen mißbilligenden Gesichtsausdruck an. „Die Kleine ist mit Rioos auf dem Markt?“ „Ich bitte dich, Blark“, erwiderte Riynee mit besänftigender Stimme. „Rio ist doch bei ihr.“ „Und trifft sich wieder mit dieser Bande von Faulenzern.“ Kaum war es draußen, hätte er sich auch schon ohrfeigen mögen. Wenn es um dieses Thema ging, war sie wieder ganz Alaani. Auf ihre Kinder ließen sie nichts kommen. Wie erwartet, trat ein harter Ausdruck in Riynees olivschwarze Augen. „Nenne meinen Sohn nicht Faulenzer“, sagte sie kalt. „Rioos arbeitet hart. So wie du und so, wie es auch immer seines Vaters Art war. Das weisst du genau. Aber er ist noch ein Kind. Und er soll Freude am Leben haben. Eine schöne Kindheit. Wenigstens hin und wieder. Wenn diese Jungen seine Freunde sind, so sind es gute Jungen. Und sie werden verantwortungsvoll auf Rinook achten. Ich vertraue Rioos.“ Blark legte ihr in einer friedlichen Geste die Hand auf den Arm und setzte gerade zu einer Entschuldigung an, als er ein Geräusch an der Tür hörte. „Erwartest du jemanden?“ fragte er Riynee. Sie schüttelte verneinend den Kopf. Blark stand auf, doch in diesem Moment schwang die Tür auch schon auf, und eine junge Frau stolperte herein. Fast wäre sie gefallen, wenn sie sich nicht am Türrahmen gehalten hätte. Sie hatte kurzes nussfarbenes Haar, durchsetzt mit goldenen und silbernen Strähnen, und sie trug ein lederähnliches, für diese Gegend ungewöhnliches knielanges Gewand. Es erinnerte Blark an die Gewänder, die er auf alten Bildern gesehen hatte. Bilder, die seine Vorfahren darstellten, seine Urahnen von dem geheimnisumwitterten fernen Ort Llacaan. Ein weiteres Bündel Kleidungsstücke hatte sie im Arm gehalten, es war bei ihrem hastigen Eintreten auf den Boden gefallen. Kraftlos streckte sie ihnen eine Hand entgegen, ihre blauen Augen trübten sich. „Bitte - Hilfe“, hauchte sie, dann glitt sie am Türrahmen herab und bewusstlos zu Boden. *** Als Kiwiana die Augen wieder öffnete, lag sie in
einem Bett, und ein angenehmer Duft nach warmem Essen ließ ihr das
Wasser im Mund zusammenlaufen. Neben ihr saß eine Frau mit langen
glatten nebelweißen Haaren und hellgrüner Haut. Sie schaute
sie reserviert, aber freundlich an und sagte: "Hallo, ich bin Riynee. Und
wer bist du?"
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Weiter geht es so:
Unterwegs zum Markt - E21 (Zauberfee) |