Die  Perlen von Caala~Elen Spielregeln Eingang E-Mail Übersicht

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Bart und Streitaxt E37
„Laßt uns gefälligst durch!" rief ein Mann barsch durch das Gewühl hindurch.

„Im Namen der Herrin!" rief ein zweiter mit deutlich schärferem Ton - und lauter. „Sofort!!"

Wie durch Wunderhand gewirkt öffnete sich an der richtigen Stelle in der Menge eine schmale Gasse, die sich unmittelbar hinter den drei Gardisten, die durch sie hindurcheilten und dabei einzelne Umherstehende grob zur Seite stießen, wieder schloß. Der nachfolgende Mann in der dunkelblauen Robe konnte sich gerade so noch hindurchquetschen. Sein erst vor wenigen Tagen frisch auf Brustlänge gestutzter, grauer Bart hätte sich dabei beinahe in dem undurchdringlichen Gewirr aus Händen, Armen und Schultern verfangen. Es gelang ihm jedoch, sich freizukämpfen, ohne dabei allzu viele Barthaare einbüßen zu müssen.

„Wo ist er?" fuhr der Kommandant der Gardisten den nächstbesten Schaulustigen an.

„Irgendwo da drüben", antwortete dieser eingeschüchtert und zeigte auf ein Haus am Ende des kleinen Platzes, dessen Tür weit offen stand. „Wer ist er eigentlich?"

Doch der Kommandant ging wortlos an ihm vorüber, die beiden anderen und der Mann in der Robe folgten ihm so schnell die Menge es zuließ.
Nach wenigen Augenblicken betraten sie das Haus. Dort mußten sie nicht lange nach dem richtigen Weg fragen, sie gingen einfach der Lautstärke nach.

Erst jetzt wurde dem Zauberer bewußt, daß sie sich in einer Schleuse befanden, von denen es viele in den Randbereichen von Caala gab. Sie dienten den Alaani als einfache Zugänge zur Stadt, ohne diese dabei unter Wasser zu setzen.
Oh nein… es wird doch nicht… Er wagte nicht, seinen Befürchtungen Worte zu verleihen, und raffte statt dessen seine fast knöchellange Robe etwas, um mit größeren Schritten schneller voranzukommen.
Er betrat kurz nach den Gardisten einen Raum, dessen Tür von zwei Männern bewacht wurde. Offensichtlich hatten sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Schaulustigen fernzuhalten, die natürlich die Tür geradezu belagerten und einzudringen versuchten. Erst mit dem Eintreffen der Gardisten verringerte sich dieser Drang bei den meisten.

Der Raum war hell und hoch, etwas Wasser auf dem Boden zeugte davon, daß sich hinter den drei Stahltüren, die auf der rechten Seite in die Wand eingelassen waren, die eigentlichen Schleusen befinden mußten, die Tore zum Meer. Gegenüber der Türen gab es mehrere Holzbänke, die normalerweise den Wartenden als Sitzgelegenheit dienten.
Doch im Augenblick umstanden etwa sieben Männer - und nun auch die Gardisten - eine der Bänke und beugten sich über sie. Zwei der Männer sprachen leise und nachdenklich miteinander, wobei einer sich ständig am Kinn kratzte - so, wie es Gelehrte zu tun pflegen, wenn sie unter sich sind und über einen komplizierten Fall beraten.

Oder vielleicht doch nicht? dachte der Zauberer hoffnungsvoll, drängte sich zwischen die beiden Männer und sah auf die Bank. Er erschrak.

Auf ihr lag eine regungslose Gestalt, ein Mann. Er trug einen dichten, dunkelbraunen Bart, sein Gesicht wirkte alt und erfahren, eine Narbe verunstaltete seine rechte Wange. Was ihn jedoch erschrecken ließ, war nicht die Narbe, sondern der Mann selbst… und sein offensichtliches Hab und Gut. Dieses bestand in erster Linie aus einem Kettenhemd und einer Waffe, die jemand neben die Bank gelegt hatte. Diese Art von Waffen hatte der Zauberer in Caala schon lange nicht mehr gesehen, außer im Museum. Es war eine reich verzierte, zweischneidige Streitaxt. Selbst die Augen eines Laien in Waffenangelegenheiten, wie er es war, erkannte die hohe Qualität dieser Arbeit eines meisterlichen Waffenschmiedes. Jedoch mit Ausnahme des Griffes, denn der war etwas zu kurz geraten. Andererseits paßte die Größe auf die des Mannes - er maß nur wenig mehr als die Hälfte des Zauberers.

„Ich glaube, er kommt wieder zu sich!" sagte einer der Umstehenden, der kurz zuvor zu dem Bewußtlosen niedergekniet war, um seinen Puls zu fühlen.

Sogleich setzte ein raumfüllendes Gemurmel zwischen den Männern ein, als hätten sie nie damit gerechnet, daß dies geschehen konnte.
Erst jetzt wurde dem Zauberer bewußt, daß der Brustkorb des Fremden sich langsam und kaum wahrnehmbar hob und senkte.

„Zwei Alaani haben ihn draußen gefunden…", erklärte einer der Männer dem Zauberer. „Er sei plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht, habe nach Luft gerungen und wie wild gekämpft - gegen das Wasser. Die beiden hätten es fast nicht geschafft, ihn hierher zu zerren. Er hat sich immer wieder gewehrt. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewußt, daß sie ihm nur helfen wollten… Kurz vor der Schleuse ist er dann bewußtlos geworden. Kurz darauf haben wir ihn wieder zum Leben erweckt, doch er blieb weiter bewußtlos…"

„Und diese Waffe trug er bei sich?" fragte der Kommandant mißtrauisch. „Hat er die beiden damit angegriffen?"

„Er trug sie bei sich… Sie haben nicht gesagt, daß er sie damit angegriffen habe."

„Er ist einfach so aufgetaucht?" fragte der Zauberer, die Waffe interessierte ihn im Grunde gar nicht. Er sieht aus… wie ein … ja, ein Zwerg, dachte er. Wie in den uralten Märchen, die mir meine Mutter immer erzählt hat. …als ich noch ein Kind war.

„Was heißt schon ‘einfach so’? Einfach wird’s nicht gewesen sein… Ich habe keine Ahnung, wo er herkommt. Ins Wasser kann er ja auch nicht gefallen sein… wir sind hier schließlich auf dem Meeresgrund, Gworgaan."

„Ich weiß, ich weiß… Das macht mir ja gerade Sorgen!" Nachdenklich beobachtete der Zauberer weiter den Fremden, der in diesem Moment leise stöhnte und dadurch auch wieder die volle Aufmerksamkeit der Anderen auf sich zog. „Wir müssen auf jeden Fall El-Mundin unterrichten. Und natürlich die Herrin." - Wo um alles in der Welt kommt bloß dieser Zwerg her??

„Sollen wir ihn nicht gleich zu ihnen bringen?"

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Kommandant", überlegte Gworgaan laut. „Wir wissen nicht, wie gefährlich er ist."

„Wir nehmen ihn fest, dann ist er gewiß nicht mehr gefährlich, Zauberer. Warum müßt ihr immer so kompliziert denken?!"

„Und wenn er ein Abgesandter - woher auch immer - ist? In friedlicher Absicht?"

„Glaubt ihr das etwa selbst??" Der Kommandant bedachte Gworgaan mit finstersten Blicken. „Wir nehmen ihn erst mal mit, dann können wir immer noch sehen. Dabei bleibt’s! - Warcaa!" - Er wandte sich zu einem der Gardisten - „Nimm seine Waffe!"

Der andere Gardist nahm sofort eine Leibesvisitation vor, fand aber keine weiteren Waffen. Schließlich weckten sie den Fremden ein wenig unsanft auf…
 

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Drachenmagie- E42 (Achim Raschka)