Uorola - E10 (Anna Wagenhäuser)

Dann brandeten erneut die mentalen Wellen  der versammelten Elendaren durch den Raum, ziellose Gedankenfragmente, die Verwirrung, Zweifel und Angst signalisierten. Das akustische Spektrum erreichte Frequenzen, die bereits an der oberen Wahrnehmungsgrenze lagen. Unberührt von diesem Tumult schoß scharf und schneidend wie ein flammender Speer Katturris ungebrochener Haß durch den mentalen Äther. 

Die Kuppel drohte unter dem Ansturm der unkontrollierten Emotionen zu zerbersten. 
Nur Morrok und sein Clan versuchten, mit aller Kraft der Zerstörung Einhalt zu gebieten. Wenn die Kuppel sich auflöste, würden sie alle in Sekundenschnelle im Feuer des Vulkans verbrennen... 

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, die Kuppel innerhalb eines aktiven Vulkans zu errichten, aber nur so konnten sie vor Spionen der Caalaer sicher sein. Obwohl die magischen Fähigkeiten der Caalaer im allgemeinen kümmerlich waren, gab es doch unter ihnen einige, die unbemerkt in eine ungeschützte Kuppel eindringen konnten. Dazu mußten sie allerdings räumlich in die unmittelbare Nähe der Kuppel gelangen, um mit ihrem beschränkten Geist eine mentale Verbindung zu der Struktur der "Wand" herzustellen, während die meisten Elendaren diese räumliche Nähe nicht benötigten.  

Das scheinbar sichere Versteck konnte sich jedoch nun als tödliche Falle erweisen! 

Morrok nahm die mentalen Ausstrahlungen seiner Clansleute in sich auf, ermutigte sie zum Durchhalten, gab ihnen Hoffnung, und ließ sie spüren, wie stolz er auf sie war. Gleichzeitig zog er sich langsam immer weiter aus dem mentalen Kreis zurück und tauchte in das Chaos  der entfesselten Gedankenfragmente ein. 

Seine Magie war stark, stärker als die aller anderen Elendaren, aber wenn sein Clan nicht standhalten konnte, war alles verloren! 

Mit äußerster Konzentration verbannte er alle Gedanken an den bevorstehenden Untergang und sandte einen mächtigen mentalen Impuls aus, der den gesamten Raum unter der Kuppel erfüllte: 

"HÖRT AUF ! HÖRT MIR ZU!" 

Die akustische Frequenz, die seinen Aufruf begleitete, überschritt die Schmerzgrenze. Viele Senatsmitglieder wälzten sich gepeinigt von diesem mentalen und akustischen Signal am Boden, der Tumult erstarb, aber Morrok erkannte, daß sich die meisten in einem Schockzustand befanden und keinem geordneten Gedankenaustausch zugänglich waren. 

Wie sollten sie die Gefahr erkennen, das Verhängnis aufhalten? 
Er selbst hatte keine Kraft mehr, hatte sich mit diesem letzten verzweifelten Aufruf völlig verausgabt.  

Unerwartet breitete sich eine beruhigende mentale Welle aus, überlagerte aller Emotionen und zwang alle Anwesenden in ihren Bann - Onnaro trat in die Mitte der Versammlung und begann zu reden. 

Morrok entspannte sich. Durch die beruhigenden Impulse waren die Senatsmitglieder wieder in der Lage, ihren Beitrag zur Stabilität der Kuppel zu leisten und seinen Clan zu entlasten. 

Die Gefahr war vorbei - aber seine Magie schien erloschen zu sein, aufgezehrt von der übermenschlichen Anstrengung, dem Chaos zu widerstehen. 

Würde er sie jemals zurückgewinnen? 
 

Die Pflicht eines Häuptlings - E18 (Eumel)