Die  Perlen  von Caala~Elen  Spielregeln Eingang E-Mail Übersicht
 
Plug and Play A4
"Be careful not to let your character die - because if this happens, hardware will be damaged irreversibly," las Tom aus dem Manual vor. 

Kristian lachte abfällig. "Tolles Computerspiel. Sobald du einmal stirbst, kannst du es wegwerfen ..." 

"CyberAtlantis IST genial", verteidigte Tom die Investition seiner Weihnachtsgeschenke, "'Realitätsnähe ist alles', das hab' ich doch schon vorgelesen. Und im Leben kannst du nunmal auch nicht einfach auf REBOOT drücken und von vorn anfangen ..." 

"Trotzdem. Wenn ich soviel Geld für ein Computerspiel ausgeben würde, möchte ich auch öfter damit spielen können" erwiderte Kristian, wobei deutlich wurde, dass ER das Geld, dass sein Bruder für die CD-ROM inklusive CyberSuit ausgegeben hatte, auf jeden Fall anderweitig verwendet hätte. 

"Genau, und deshalb lässt DU gefälligst deine Finger davon, klar? Du bringst es wahrscheinlich fertig, gleich im ersten Level abzukratzen ..." 

"Wenn du meinst ..." meinte Kristian und verzog sich gelangweilt auf sein Zimmer. 

*** 

Drei Tage später war sein Bruder mit den Eltern in den Sylvesterurlaub gefahren. Auch stundenlanges Betteln hatte die Eltern nicht davon überzeugen können, den Computer samt CyberSuit - oder "elektrischer Anzug", wie ihn Vater mißtrauisch nannte - mitzunehmen.  
Mit einer heißen Tasse Tee in der Hand spazierte Kristian also am 2. Januar in das Zimmer seines kleinen Bruders und schaltete den PC an.  
Dank Tante Ursula, die versprochen hatte, täglich anzurufen, war ihm der Familienausflug erspart geblieben. Er hatte noch knapp eine Woche Zeit, bis der Rest der Familie zurück sein würde - Zeit genug, um CyberAtlantis mal eben aufzulösen. Das dachte er zumindest. Wenigstens wollte er mal reinkucken. Neugierig war er ja auf die Virtual Reality-Funktionen des Spiels ... 

Kein Passwort. Manchmal war sein Bruder auch zu blöd. Und dann noch das Programm groß und breit im Windows2000-Startmenü abgelegt! Ein Klick und ...  

Unable to Execute Programm 

Schlau. Aber nicht schlau genug. Kristian kannte die 'geheimen' Tricks seines Bruders. Startmenü--Programme--Zubehör--Systemprogramme--Format C: 
Hinter dem so gefährlich aussehenden Eintrag verbarg sich das neueste 'geheime' Programm, das Tom vor den Augen Neugieriger verstecken zu müssen glaubte. Und natürlich war das im Moment CyberAtlantis 

Also angeklickt und ... BINGO!  

"CyberAtlantis - DAS neue Spielabenteuer" 

flimmerte während der Titelsequenz über den Bildschirm. Kristian hatte sich schon ein wenig im Handbuch schlaugelesen (was wohl einer der Gründe war, warum er nie so computerverrückt geworden war wie andere Leute ... ein richtiger Progger arbeitet nunmal nach dem Prinzip Trial and Error - etwas, wozu Kristian noch nie die Geduld gehabt hatte). 

Bitte legen sie jetzt den CyberSuit an und schließen Sie den Adapter an die dafür vorgesehene Schnittstelle in Ihrem Computer an. 

Den CyberSuit seines Bruders anzulegen war gar nicht so leicht ... immerhin war er knapp zwei Nummern zu klein. Als er jedoch erstmal drin war, lag er so eng am Körper an, dass Kristian fast nichts davon spürte. Ein leichtes Ziehen im Nacken teilte ihm mit, dass der Anzug die erforderliche Verbindung zu seinem Rückenmark hergestellt hatte. Überganglos wurden sein Arme und Beine taub, oder besser gesagt, er spürte sie nicht mehr. Stattdessen fuhr das Sichtvisier nach unten, und er sah die bisherige Bildschirmausgabe vor sich. Wenn er versuchte, seinen Arm zu bewegen, flitzte der Mauscursor über den Bildschirm. 

Das war zwar irgendwie cool, aber doch etwas beängstigend ... deshalb wählte er im nun erscheinenden Menü "Teilweise Körperkontrolle wieder herstellen, Steuerung über Tastatur" und klickte sich weiter. 
Spielfigur designen - Alter: 15. Geschlecht: männlich. Er hatte noch nie etwas besonders faszinierendes daran gefunden, sich in solchen Rollenspielen als Frau auszugeben. Rasse? Zur Auswahl standen Menschen, Aquarianer und noch ein paar andere Lebensformen ... nach den Elfen, die er sonst so mochte, suchte er jedoch vergeblich. Also: Mensch. Aussehen. Hier wählte er den letzten Menüeintrag - Full Scan. Diese Option veranlasste den Suite, seinen gesamten Körper abzutasten, und die ermittelten Formen an den Computer zu schicken. Auf diese Weise würde er genauso aussehen wie in Wirklichkeit. Änderungen am Erscheinungsbild? Längere Haare hatte er schon immer mal ausprobieren wollen ... also schob er den Regler für die Haarlänge probeweise ein Stückchen nach oben ... GENIAL. Er spürte sofort das größere Gewicht und das Kitzeln der Haare im Nacken. Ein bisschen die Frisur angepasst und fertig.  

Sie können nun noch eine Waffe oder einen magischen Gegenstand auswählen, den sie bei Beginn des Spieles bei sich tragen werden. 

Kristian sah sich die Menüeinträge an ... "Ultraslasher", "Buschmachete", "Zauberstab", "magisches Pulver von Catlaan", ... und der letzte Eintrag "3D-Scan". Den wählte er aus.  

Stellen Sie nun den Gegenstand, den sie bei sich tragen wollen, in das Scanfeld. Er wird in die Computermatrix übertragen. 

Kristian sah sich um. Was wollte er mitnehmen? Die Teetasse? Das war albern. Lächelnd streifte sein Blick das Plastiklaserschwert seines Bruders ... nein, das war es auch nicht ... jetzt wußte er es. Er öffnete die Abdeckplatte des 3D-Scanners und legte das Mobilteil des Schnurlosen Telefons hinein, das er mitgebracht hatte.  

Scan erfolgt. Wo wollen sie den Gegenstand aufbewahren? 

Kristian klickte auf "untere Seitentasche" und bestätigte. 

Mit Internet verbinden? Ja/Nein/Bei Bedarf? 

Kristian wählte "Bei Bedarf", obwohl ihm nicht ganz klar war, was damit gemeint war. 

Alle Einstellungen wurden nun getätigt. Beim letzten Spiel hatten Sie gerade das dritte Level beendet. Bitte Passwort eingeben. 

(Information: Auf Eingabe des Passwortes wird Ihre Körperkontrolle wieder deaktiviert, um Ihnen das optimale VR-Feeling zu vermitteln. Beenden sie den VR-Modus, in dem sie als Spielfigur mit drei Fingern der linken Hand ihren rechten Fuß berühren. Viel Spass!) 

Mist! Die Passwortaufforderung begann zu blinken ... Wenn er nicht bald etwas tat ... vielleicht konnte er das System verwirren. Also sinnlos auf der Tastatur rumgehakt. Bei gehaltener Strng-Taste, damit der Compi alles für Funktionseingaben hielt.  
Tab - der Computer piepte. Gutes Zeichen. Noch ein bisschen auf dem Nummernblock rumgetippt, immer mindestens zwei Zahlen auf einmal ... er musste mehr Tasten drücken. Entschlossen griff er nach der leeren Teetasse, stellte sie auf die Tasten des Nummernblocks und kippte sie so, dass sie einige Tasten unten hielt. Dann wandte er sich dem rechten Teil des Buchstabenfeldes zu. + und 0; + und 9; # und 8; Strng, Tab, # und 7 ... ZOING! 
Offensichtlich hatte ihn das Spiel reingelassen. Er fand sich inmitten eines flimmernden Raumes, durch den er mit rasender Geschwindigkeit zu stürzen schien. Interessanter Levelübergang. Vielleicht etwas zu metaphysisch ... Mal wieder fragte er sich leicht herablassend lächelnd, wie die Hersteller des Spieles den Slogan "Realitätsnähe ist alles" mit einer von Amphibienwesen bevölkerten Fantasywelt vereinten ... als es plötzlich dunkel wurde. Nicht nur dunkel, sondern richtiggehend leer um ihn herum, als wäre er zugleich blind und taub geworden, und auch die anderen Sinne schienen nicht mehr zu arbeiten. 

Dann traf es ihn wie ein Schlag. Geräusche, Bilder, eine leichte Brise, die über sein Gesicht strich ... es dauerte einige Minuten, bis er wieder alles richtig zuordnete. Dann sah er sich um. Die Techniker von 3DSoft hatten offensichtlich wirklich gute Arbeit geleistet. Er stand in der Mitte eines großen Marktes, um ihn bewegten sich eine große Menge Menschen, und alles fühlte sich absolut REAL an. So wie seine langen Haare vorher. Er hob die Hand. Drehte sich. Kein Ruckeln, keine halbfertigen 3D-Graphiken, nur pure Realität. Wäre nicht der fischgesichtige Halbmensch gewesen, der auf der anderen Seite des Platzes Perlen verkaufte, hätte Kristian schwören können, sich auf einem echten Wochenmarkt zu befinden. 

Rein philosophisch betrachtet war das ganze natürlich noch seltsamer ... es stellten sich die selben Fragen wie beim Thema "Traum". Welche Wirklichkeit war nun die echte? Vielleicht bildete er sich ja nur ein, bis vor kurzem auf der Erde gelebt zu haben ... 

Während er sich noch über all das wunderte, schlich sich ein Gedanke in sein Bewußtsein. Er hatte nirgendwo gelesen, was mit dem Menschen passierte, der zum Zeitpunkt des Todes der Spielfigur an den CyberSuit angeschlossen war ... 

Ein Geräusch unterbrach seine Überlegungen. Er konnte es erst nicht einordnen, doch dann wurde es ihm klar. Fassungslos starrte er seine Tasche an. Das Telefon klingelte ... 
 

Weiter geht es so:

Eine unfreundliche Begrüßung - E3 (Anna Wagenhäuser)