Langsam
und behutsam loeste ich endlich den Knoten des Kordels, befreite das Paeckchen
aus seinen Fesseln, legte die Schnur saeuberlich zusammengerollt neben
mich und faltete beinahe andaechtig das braune Papier auf.
Da lag sie dann, wie erwartet, vor mir: Robs geliebte abgetragene Levis 501. Zärtlich streichelte ich den verwaschenen Jeansstoff. Am rechten Knie das ausgefranste Loch - naturgerissen, wie er immer ganz stolz gesagt hatte, nicht etwa hineingeschnitten, wie es viele mit ihren Jeans getan hatten, als die Loecher in den Hosen modern wurden. Und hier hinten - der schwarze Lederflicken. Den hatte ich aufgenaeht, ich war ja auch schuld gewesen an dem Loch, hatte mich mit Skateboardfahren versucht und mich in der ersten Kurve unsanft auf grobem Schotter prompt auf den Hintern gesetzt. Sie passte mir naemlich ganz fantastisch, seine Lieblingsjeans, und manchmal durfte ich sie tragen, obwohl er es kindisch fand, dass ich so gerne Sachen von ihm anzog. Diese Jeans war allerdings auch die einzige Hose, die ich von ihm auslieh, aus irgendeinem unverstaendlichen Grund fuehlte ich mich immer so cool und laessig in ihr, normalerweise beschraenkte ich mich darauf, ihm T-Shirts oder Pullis auszuspannen. Seine Mutter hatte sicherlich richtig gedacht, als sie vermutete, es waere ihm recht gewesen, dass ich die Jeans bekam. Fast sah ich ihn vor mir, wie er mich und meine Anhaenglichkeit an seine Hose belaechelte. "Du Kind" wuerde er wahrscheinlich sagen, wenn er jetzt bei mir waere. Warum hatte er sie nicht wie sonst tragen wollen, beim Auftritt an diesem Abend? Vorahnung? Hing sie da auf dem Stuhl in seinem Zimmer fuer mich? War das sein ich liebe dich noch, auf das ich so gewartet hatte? Inzwischen weinte ich haltlos. Die Jeans in meinen Armen, lief ich ein paar Schritte ins Wasser, meine Stimme gehorchte mir kaum, als ich ueber das Meer hinwegschrie und sie alle wuetend befragte, die Klippen, den Huegel, den Wolfskopf, den dunklen Himmel und die schwarzen Wellen: "Wollte er mich noch? Haette er sich gemeldet? Habe ich ihm gefehlt? Oder war es ihm recht? War er froh, mich los zu sein? HAT ER MICH NOCH GELIEBT????" Ich war auf eine Antwort nicht gefasst. Als sich der dunkle Schatten urploetzlich vor mir auftuermte, keckernd und kreischend immer groesser zu werden schien, erschrak ich so sehr, dass ich entsetzt aufschreiend die Jeans fallen liess und in blinder Panik ueber den Strand die Treppe hinauf zu meinem Auto fluechtete. Mein Herz schlug wie wahnsinnig, zweimal wuergte ich den Motor ab, bis er endlich heulend ansprang. Zitternd und schluchzend kam ich ins Hotel. Madame Munoz versuchte mich zu beruhigen, brachte mich in mein Zimmer, wo sie mich ins Bett steckte und mir heissen Tee mit Rum einfloesste. Aus meinen Worten wurde sie nicht schlau, ich stand deutlich unter Schock, das einzige franzoesische Wort, das ich herausbrachte, war fantome - Gespenst. Als sie schliesslich einen Arzt holen wollte, zwang ich mich, ruhiger zu werden und konnte ihr diese Idee gerade noch ausreden. Sie liess sich davon ueberzeugen, dass es mir besser ging und ich nun schlafen wollte, aber ich konnte sie nicht davon abhalten, mir eine Schlaftablette zu verordnen. Sie blieb bei mir, bis ich eingeschlafen war und ich war ihr dankbar dafuer. |