Mystique Teil 5a
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Sie hob das schmale Schnapsglas an ihre Lippen und kippte den Magenbitter mit einem Schluck weg. Als sie das leere Glas zurückstellte, war die Tasse Kaffee verschwunden.

Gleich darauf löste sich auch das Tablett, das Knusperhäuschen, die gesamte Süßigkeitenumgebung in Nichts auf. Nur die Bank, auf der sie saß, verschwand nicht. Allerdings war sie nun nicht mehr aus Götterspeise, sondern aus Holz. Das lila Flügelwesen setzte sich neben sie, winkte nach Mork, der sich gehorsam zu seinen Füßen setzte, und kraulte ihn hinter den Ohren. Dann begann es zu sprechen.

"Du möchtest wissen, wer ich bin?" fragte es und Robyn nickte eifrig. "Nun - ich bin das lila Flügelwesen."

Robyn starrte es eine Weile an, bis ihr klar wurde, dass da nichts mehr kam. Sie räusperte sich. "Äh - hast du vielleicht einen Namen?"

Das Wesen guckte sie mit seinen lilabewimperten Kulleraugen groß an. "Ich weiß nicht. Habe ich einen?"

Robyn musste lachen. "Aber - wie soll denn ich das wissen?" Milka, schoss ihr durch den Kopf. Es sieht aus wie ein geflügelter lila Engel.

Der lila Engel schlug sich mit der Hand an die Stirn. "Jetzt erinnere ich mich", frohlockte er. "Ich heiße Milka!"

Robyn schaute ihn lange nachdenklich an. Dann dachte sie konzentriert Meine Freunde nennen mich Milky, du kannst ruhig auch Milky zu mir sagen.

Die schmalen violetten Finger kraulten weiterhin den Hund, der die Augen genießerisch geschlossen hatte. "Aber sag ruhig Milky zu mir, so nennen mich meine Freunde", bemerkte Milky nebenbei. 

"Bist du ein Engel?" fragte Robyn. Sie wusste es wirklich nicht. "Und warum bist du hier? Warum bin ich hier? Wo bin ich?"

"Das ist eine gute Frage", lächelte Milky. Eine? dachte Robyn verwundert, doch Milky fuhr bereits fort: "Nein, ich bin eine Märchenfee". Sofort wandelte sich sein Aussehen, seine Konturen wurden zarter, die prächtigen Flügel zu fast durchsichtigen zarten flaumbesetzten, das Gewand tönte von dunklem Blau-Lila in pastellartiges beinahe Rosa um, die Wimpern wuchsen ebenso wie die Haare, Milky sah plötzlich aus wie eine leibhaftige Elfe. Auch wurde sie kleiner und hielt nun einen dünnen silbersternbesetzten Stab in der Hand. "Ich bin hier wegen dir. Und du befindest dich in deinem Traum."

"Ein Traum?" Robyn lachte erleichtert auf. "Na Gottseidank. Dann werde ich also bald aufwachen und alles ist vorbei?"

Milky strich sich mit mädchenhafter Geste eine schimmernde Haarsträhne aus der Stirn. (Sie wurde immer noch kleiner). Ihre Stimme war nun glockenhell. "Nun ja, es ist ein Traum. Aber du kannst nicht aufwachen. Nicht bevor -"

"Bevor was???"

"Bevor du getan hast, wofür du träumst".

Mork schaute bedauernd nach, wo das nette ihn kraulende Wesen abgeblieben war. Nach dem lila Schmetterling, der über ihm flatterte, schnappte er und Milky konnte nur mit einer blitzschnellen Wendung seinen Zähnen entgehen. Robyn breitete eine Handfläche aus und die kleine Elfenfee nahm dort dankbar Platz. 

"Was ist das was ich tun muss? Wofür ich träume?"

"Weisst du das wirklich nicht?"

Robyn rollte mit den Augen. "Herrje nein. Keine Ahnung. Bin ich eine Art Heldin? Von der die Rettung der Menschheit abhängt? Oder so was in der Art?"

Milky klatschte fröhlich in die kleinen Hände. "Genau! Ich wusste doch, dass du es weißt!"

Ich glaube, ich spinne... "Das ist nicht dein Ernst? Was muss ich tun? Einen Drachen töten? Monster bekämpfen??"

Milky flatterte aufgeregt mit den Flügeln und schaute sich nervös um. "Psssst. Nicht so laut!"

Der Himmel verdüsterte sich. Eine schwarze Wolkenwand näherte sich rasend schnell, so wie der Mondschatten zur Sonnenfinsternis. Ein heftiger Wind kam auf und Milky musste sich an Robyns Zeigefinger festklammern. Sie schrie etwas, aber Robyn konnte sie nicht mehr verstehen und neigte ihr Ohr nahe zu ihr herunter. 

"Zu spät", piepste die Kleine. "Sie kommen schon. Wir müssen fliehen!! Schnell !!!"

Das ließ sich Robyn nicht zwei Mal sagen. Sie schloss eine Faust um die kleine Fee, packte Mork im Nackenfell und zerrte ihn mit sich, in Richtung eines dunklen Waldes, von dem sie nicht mehr wusste, seit wann er da war. In den Wald führte ein schmaler Pfad, auf dem sie vorwärts rannte, während hinter ihr der Sturm mit orkanartigem Brüllen nach ihr suchte.

Nach vielen Metern hielt sie erschöpft und außer Atem inne. Vor ihr gabelte sich der Pfad. Links und rechts war kein Durchkommen, Bäume und Sträucher standen dicht an dicht. Ein Blitzschlag erhellte die beiden Pfade und Robyn erkannte zu ihrem Entsetzen, dass beide mit einem riesigen Spinnennetz verhangen waren. Das eine, das den linken Weg versperrte schien leer, aber in dem anderen thronte eine fette Spinne. In ihrer Hand rührte sich Milky und schrie so laut sie konnte "du musst dich entscheiden, sonst sind wir verloren!" Ihre kleine Hand deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren und als Robyn sich umwandte, funkelten mehrere gelbe gierige Augen in der Dunkelheit und ein Heulen aus hundert blutrünstigen Kehlen ließ ihr die Haare zu Berge stehen. Mork drängte sich winselnd an ihr Bein. 

Robyn wirbelte herum, zögerte nur noch einen Sekundenbruchteil und warf sich dann auf den Pfad mit dem Spinnennetz, das so aussah:
 

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