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Drachenmagie - E42 (Achim Raschka)

In einem Verlies in Caala E51
Es war still um ihn herum. Zu still, dachte Tórgin. Fast… totenstill?
Zögernd, vorsichtig öffnete er die Augen. Erst nur einen kleinen Spalt breit. Er sah nichts. Schließlich schlug er sie ganz auf.
Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis er sich an die Dunkelheit zu gewöhnen begann.
Ich war viel zu lange unter Menschen, dachte er, während die Schemen einiger Linien, Furchen und Nieten sich langsam zu einer Stahltür formten. Vor einigen Monaten noch hab ich mich viel schneller an das Dunkel gewöhnt…

Seine Augen durchforsteten die ihn umgebende Schwärze weiter. Er entdeckte einen Krug auf dem kalten Steinboden. Er setzte sich auf, beugte sich vor und roch daran, fühlte mit einem Finger nach dessen Inhalt. Wasser. Er griff danach, zog jedoch plötzlich eine Hand zurück. Vorsicht! Vielleicht Gift…
Er suchte sein Gefängnis weiter ab, fand aber nichts außer den Wänden und der Decke aus grob behauenem Stein - und dem Boden, auf dem er saß.

Was ist eigentlich passiert…? - Ach ja, die Fremden und der Mann in der Robe… Der Stich… Er überlegte eine Weile. Dann nichts mehr… Sie müssen mich betäubt haben… feige von hinten. Na, besser als vergiftet. Dafür aber gefangen in… wo auch immer.
Dann drangen einige Bilder der vergangenen Stunden (?) in sein Bewußtsein ein, erst unklar, dann immer deutlicher. Diese Wunden an den Hälsen einiger der Fremden… merkwürdig. An was erinnern sie mich? Fische?? Er schüttelte ungläubig seinen Kopf. Nein, unmöglich! …und dann so bleich. Es müssen Tote sein - oder besser Untote. Ja, anders kann das nicht sein. Sie waren schließlich nicht im Wasser - nein, keine Fische - in Menschengestalt.

Unversehens schreckte ihn ein Geräusch auf. Es hatte seinen Ursprung jenseits der Stahltür. Er stand schnell, jedoch nahezu lautlos auf, nahm dabei den Krug an sich, preßte seinen Körper neben der Tür an die Wand und wartete.

Schließlich hörte er weit entfernte, in langen Gängen widerhallende Schritte. Zwei oder drei Männer, erkannte er blitzschnell. Nein, eher vier. Sie näherten sich seinem Gefängnis.
Er besah sich die Tür von der Seite nochmal etwas genauer. Das Schloß war nur von außen zugänglich. Die haben aber auch an alles gedacht…
Die Männer blieben stehen - unmittelbar vor Tórgins Zelle.

„Ihr wißt ja, was Gworgaan gesagt hat: Seid auf der Hut, er ist stärker als zwei von uns“, hörte er einen der Männer leise sagen. „Also los!“

Darauf klapperte etwas an der Tür. Sie wurde aufgeschlossen. Tórgin war bereit.
Als sie geöffnet wurde, erfüllte ein gelbliches Licht den größten Teil der Zelle. Es flackerte jedoch nicht, wie es Tórgin unbewußt erwartet hatte. Keine Fackel? dachte er bestürzt. Etwa Magie?!

Der erste Mann trat einen halben Schritt vor. „Wo…?“ Er hielt inne. „Noch bewußtlos…?“ murmelte der Gardist, von dem der Zwerg nur den Arm sehen konnte, der Rest war durch die Tür verdeckt. In der Hand hielt er ein kleines, offenbar kristallenes Kästchen, von dem das gleichmäßige Licht ausging. In seinem Inneren brannte jedoch eindeutig keine Kerze oder Petroleumlampe. Trotzdem hatte Tórgin den Eindruck von etwas Glühendem.

Tórgin holte vorsichtig aus, dann schleuderte er dem Mann, der sich offenbar gerade den Teil der Zelle ansehen wollte, in dem der Zwerg lauerte, den Krug mit aller Wucht gegen den Arm. Der schrie auf, das Kästchen flog ihm in hohem Bogen aus der Hand und zerbrach auf dem Boden. Das Licht verlosch fast augenblicklich, nur noch ein schwacher Schein vom Gang her erhellte Tórgins Verlies ein wenig.

Der Gardist hielt sich krampfhaft den verletzten Arm, vielleicht war er sogar gebrochen, und taumelte einen Schritt weit in die Zelle hinein.
Der Krug indessen war leider nicht mehr als Waffe zu gebrauchen, der lag auf dem Boden - verteilt in tausend Scherben. Doch ein schneller, harter Tritt gegen das Schienbein des Mannes brachte den Zwerg genauso weiter, setzte seinen Gegner außer Gefecht.
Sofort stürmten zwei weitere Wachen das Verlies, einer von ihnen war immerhin so intelligent, seine Hellebarde blitzschnell in Tórgins Richtung zu stoßen - freilich mehr oder weniger blind, da der Zwerg sich noch immer hinter der Tür aufhielt und die Wachen in dem plötzlich entstandenem Halbdunkel tatsächlich beinahe nichts sahen. Aber offenbar hatte dieser geheimnisvolle Gworgaan, von dem der eine soeben gesprochen hatte, wohl vergessen, sie über Tórgins Körpergröße zu informieren. Die Waffe traf weit über seinem Kopf die Wand; er hätte sich kaum die Mühe machen müssen, sich fast bis zum Boden zu ducken.
Im selben Augenblick rammte er dem Wachmann seinen Kopf in den Bauch, entriß ihm fast gleichzeitig die Hellebarde und stieß ihm auch deren Stiel in die Magengegend. Doch schon stand der nächste Gardist bereit, jedoch sah auch er fast nur Dunkelheit vor seinen Augen. Schließlich stieß er mit seiner Hellebarde zu. Etwa dorthin, wo er die Waffe in der Hand des Gefangenen aufblitzen sah.
Damit aber hatte Tórgin gerechnet und die erbeutete Hellebarde etwa im rechten Winkel von sich fortgehalten, die Waffe des Gardisten zerschnitt nur Luft. Wieder traf der Stiel Tórgins Gegner, gleich darauf aber fand auch die Klinge ihr Ziel. Die Wache ging zu Boden, hielt sich mit einer Hand die stark blutende Seite.
Auch der vierte Wachmann stellte für den Zwerg kein größeres Problem dar, auch wenn die erbeutete Waffe dabei schartig wurde, als er versehentlich die Klinge des angreifenden Gardisten traf.

Schließlich lagen vier Männer blutend und stöhnend in Tórgins Zelle. Sie waren einen solch heftigen Widerstand offensichtlich nicht gewöhnt - und ihm schon gar nicht gewachsen. Und sie schienen alles andere als Untote zu sein… Untote bluteten gewöhnlich nicht.
Ohne zu zögern nahm er eine der anderen Hellebarden an sich, und verriegelte die Stahltür hinter sich. Den Schlüssel steckte er ein.

Er stand in einem schmalen Gang, der rechts schon nach wenigen Schritten endete; links, wo die Männer ursprünglich hergekommen waren, führte relativ weit entfernt eine Treppe nach oben. In beiden Richtungen befanden sich mit großen Abständen dazwischen weitere Stahltüren in den Wänden. Wohl alles Gefängniszellen, dachte er. Unter seinem Fuß knirschte etwas, als er nach links gehen wollte. Er war auf einen der Splitter getreten, der von dem leuchtenden Kästchen stammte. Er kickte ihn verächtlich fort. 

„Menschenmagie“, murmelte er, „Pfusch ohne Ende!“

Bevor er seinen Weg endgültig fortsetzte, legte er die Hellebarde auf den Boden, trat mit einem Fuß etwa auf die Mitte des Stieles und riß das andere Ende der Waffe ruckartig nach oben. Das Holz zerbrach direkt neben seinem Fuß. So hatte er eine kürzere, für ihn wesentlich handlichere Waffe geschaffen.

Meine Streitaxt wäre mir allerdings wesentlich lieber… Bestimmt ist sie irgendwo in diesem Gebäude. Vielleicht auch dieser Gworgaan? Ob er ihr Anführer ist? Oder einer von denen, die mich gefangennahmen? Allmählich kamen ihm auch Zweifel darüber, daß diese Menschen - wenn sie denn welche waren - etwas mit Drachen zu tun haben könnten. Sie stellen sich dazu irgendwie zu dämlich an…

Kurz darauf schlich er vorsichtig die Treppe hinauf.
 

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