09.12.98
 Wie der Tannenbaum sein Kleid verlor
Als der Weihnachtsmann dieses Jahr durch den Schornstein herein kam, bot sich ihm ein trauriges Bild.
Anstelle des schön geschmückten Baumes, der letzten Jahre stand diesmal nur ein verkohltes Gerippe mit hängenden Ästen neben dem Kamin. Von diesem Baum ging auch kein sanfter Geruch von Äpfeln und Zimt aus, sondern nur jener, von verbranntem Holz.
Auch der Rest der Stube, die eigentlich festlich hätte glänzen sollen, war in einem traurigen Zustand.
Der Weihnachtsmann trat an den Baum heran und fragte ihn weshalb hier alles so unfestlich traurig und verbrannt aussehe.
Ach, das sei eine traurige Geschichte erwiderte die Tanne, aber sie werde sie dem Weihnachtsmann erzählen.
„Natürlich wurde heute Nachmittag alles festlich Geschmückt und die leeren Stiefel aufgehängt, ja sogar die Plätzchen und die Mich für den dich sind schon bereitgestellt gewesen, alles war so schön, sogar so schön, das es mir nichts ausgemacht hat zu wissen, das ich schon in einigen Tagen mein grünes Kleid verlieren würde, aber dann, als es Abend wurde, da ist das Unglück geschehen.
Die Eltern haben die Stube verlassen, aber entgegen ihrer Gewohnheit nicht abgeschlossen.
Nach dem Essen sind die Eltern mit den größeren Kindern zur Messe in die Kirche gegangen, aber der kleine Igor sei bereits zuvor in sein Bettchen gebracht worden.
Doch er war nicht eingeschlafen, und schon kurz nachdem die Eltern fort waren kam er aus seinem Bett in die Stube.
Er hat sich wohl noch an letztes Jahr erinnert, jedenfalls ist er mit Hilfe des Sessels an die Zündhölzer herangekommen, und hat sie in seine Kinderhände genommen.
Eines der Streichhölzer hat er entfacht, und hat damit einige meiner Kerzen angezündet.
Aber schon bald wurde er müde und ist ins Bett zurück gegangen, ohne zuvor die Kerzen auszublasen.
So kam es, wie es kommen musste, und die Kerzen brannten nieder, entfachten einen meiner Äste, und bald stand ich lichterloh in Flammen, und noch schlimmer, die Flammen breiteten sich in der ganzen Stube aus. Wenigstens konnte Schlimmeres verhindert werden, da gerade ein Nachbar seinen Hund Gassi geführt hat, und die Feuerwehr alarmiert werden konnte.
Die Eltern waren natürlich sehr böse und entsetzt und haben ihren Kindern gesagt, das der Weihnachtsmann dieses Jahr nicht kommen werde, da einerseits die gute Stube ruiniert sei, und andererseits, weil er nur zu artigen Kindern komme.
Ich bin da auch traurig geworden, ist doch mein schönes Kleid verbrannt, und ich muss sterben, bevor ich den Weihnachtsmann sah, dachte ich da.
Umso überraschter war ich, als du doch plötzlich hier aufgetaucht bist“
„Weshalb sollte ich nicht kommen? Die Kinder waren doch das ganze Jahr über artig, und der Kleine Igor kann doch nichts dafür, er wollte doch nur sehn, ob der Weihnachtsbaum genauso schön ist, wie der letztes Jahr, er hat sich doch solange so sehr darauf gefreut wieder die Kerzen brennen zu sehn. Die Eltern hätten die Stube abschließen sollen, oder die Streichhölzer weiter oben hinlegen.
Weihnachten wird bei dieser Familie nicht ausfallen, dafür sorge ich schon“
Kaum hatte der Weihnachtsmann dies gesagt, schon musste die Tanne verwundert feststellen, das sie ein neues Kleid trug, schöner, üppiger und prächtiger geschmückt als ihr Altes. 
Unter ihren Asten lagen viele schön verpackte Geschenke in den Verschiedensten Größen.
Die Stube war aufgeräumt, duftete nach Zimt und Äpfeln und die Stiefel waren gefüllt mit leckeren Plätzchen, saftigen Feigen und Unmengen von Nüssen.
Der Weihnachtsmann nahm seinen Sack, und sah den Baum an 
„Frohe Weihnachten“, wünschte er der nun glücklichen Tanne bevor er durch den Kamin verschwand.
An nächsten Morgen sahen die Kinder die Stube und den Baum, und auch ihre Traurigkeit verschwand.
Die Tanne erlebte ihre schönsten Tage, und war auch nicht allzu traurig, als sie ihr Kleid verlor und starb.Sie wird immer in der Erinnerung der Familie, und besonders des kleinen Igors bleiben, den ihre Kerzen hatten so schön geschienen wie nie zuvor.
 
Copyright 1998 Sarah Kamber 
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