"Das Leuchten im Schnee" 
von Daniela (14)


Ein eisiger Wind fuhr Timkin scharf ins Gesicht. Verzweifelt versuchte der Junge sein Gesicht mit dem Schal einzuwickeln und es so gegen die klirrende Kälte zu schützen, aber es war hoffnungslos. Immer wieder rutschte ihm der Schal auf die Schultern zurück und lieferte sein Gesicht schutzlos den frostigen Windböen aus. Langsam spürte Timkin überhaupt nichts mehr. Seine Nasenspitze hatte sich in einen frostigen Klumpen verwandelt und seine Finger waren von der Kälte wie betäubt. Er sah sich um. Links und rechts von ihm türmten sich rießige Schneeberge, aus denen hier und da die Spitzte einer verschneiten Tanne hervor schaute. Aber sonst erkannte er nichts. Gar nichts. Das dumpfe Gefühl in seiner Magengegend, mit dem er schon seit einer Weile herumirrte, verstärkte sich. Nirgends konnte er mehr ein Zeichen des Weges erkennen, dem er am Anfang gefolgt war. Alles um ihn herum sah gleich aus: weiß, weiß, weiß. Der Junge erschrak. Was war, wenn er sich wirklich verirrt hatte? Alle Anzeichen sprachen dafür. Würde er jetzt langsam und qualvoll erfrieren? Timkin verzweifelte zunehmends. Er dachte an seine Familie zuhause, die jetzt gerade den Weinachtsbaum aufstellte und sich wunderte wo er wohl blieb. Würde er es bis zum heiligen Abend noch nach Hause schaffen? Er rappelte sich auf und überprüfte, ob er seinen Rucksack noch bei sich hatte. In dem steckte nämlich der Grund, weswegen er jetzt hier, und nicht zuhause in der warmen Stube, war. Er sollte ein Paar Schuhe, für seine Schwester, vom Schuster im Dorf abholen. Seine Mutter hatte in den letzten Tagen gehofft, der Schneesturm würde besser werden und Timkin darum erst heute losgeschickt. Aber das Gegenteil war eingetreten. Der Sturm und die Kälte hatten sich noch verschlimmert. 
Unerbitterlich fuhr ihm der eisige Wind weiter ins Gesicht und langsam dämmerte es. Timkin hatte die Hoffnung verloren, aus dieser Schneewüste herauszufinden. Traurig und verzweifelt stapfte er weiter. 
Plötzlich stockte ihm der Atem. In der Ferne konnte er ein schwaches Leuchten erkennen, das sobald er darauf zulief immer stärker wurde. Was war das? Timkins Herz schlug bis zum Anschlag. War das seine Rettung? War er vielleicht doch noch nicht verloren? Aufgeregt lief er schneller. Als er ganz in der Nähe war, erkannte er, dass das Leuchten von einer seltsamen Blume kam. Diese Zauberblume stand mitten im Schnee und strahlte so stark in allen Regenbogenfarben, dass er geblendet blinzeln musste. 
Timkin traute seinen Augen nicht. Eine solche wunderschöne Blume hatte er sein ganzes Leben lang noch nicht gesehen. Mit einem Mal waren all die Kälte und Hoffnungslosigkeit um ihn herum vergessen und er hatte nur noch Augen für die Blume. 
Eine lange Zeit stand er so selbstvergessen da, bis er bemerkte, das es schon dunkel geworden war. 
Timkin zögerte kurz, dann riss er die Blume am Stängel aus dem Schnee und machte sich mit ihr zusammen wieder auf den Weg. Nachdem er ein kurzes Stück gegangen war, passierte ihm etwas Merkwürdiges. Die Blume neigte sich in seinen Händen stark nach links und deutete mit ihrer Blüte in eine ganz bestimmte Richtung. Timkin schaute sie verwundert an. Dann beschloss er, ihr zu vertrauen und schlug die linke Richtung ein. Schließlich hatte er nichts mehr zu verlieren. 
Er ging und ging, und plötzlich erkannte er, das er wieder auf den Weg gestoßen war,von dem er vor Stunden abgekommen war. Eine unglaubliche Erleichterung überkam Timkin und er erkannte, dass es von hier aus gar nicht mehr sehr weit bis nach hause war. Schnell lief er weiter und es dauerte nicht mehr lange, bis er die erleuchteten Fenster seines Zuhauses sah. Fröhlich klingelte er an der Tür und ließ sich von seiner Familie empfangen, die sich schon ernsthafte Sorgen um ihn gemacht hatten. Eine Flut von Fragen überhäufte ihn, aber Timkin bekam sie gar nicht richtig mit. Lächelnd saß er am Abend vor dem Weihnachtsbaum und blickte lange auf die verwelkte Blume in seinen Armen. Sie hatte ihm das Leben gerettet, da war er sich sicher.