Diese Geschichte
ist unter chaotischen Bedingungen entstanden und garantiert nicht als herausragendes
Werk der Literatur anzusehen. Ich würde sie gerne noch umschreiben
oder neu schreiben, hatte aber keine Zeit mehr dafür. Es wird meinerseits
keine Haftung für zurückbleibende Schäden jeglicher Art,
welche aus dem Vortrag oder dem Lesen dieses Schriftsatzes entstehen könnten,
übernommen!
Müde wälzte er sich im Bett hin und
her. Sollte er wirklich aufstehen? Konnte er nicht einfach liegen bleiben
und diesen ganzen Tag einfach verschlafen? So sehr er sich bemühte,
mehr als dösen war nicht drin. Er schälte sich aus seiner Decke,
zog beherzt das Rollo hoch und wurde gnädiger Weise von der Sonne
verschont. Müde blickten seine Augen auf die leicht mit Schnee bepuderte
Stadtlandschaft.
Als er einen bunten Weihnachtsmann im Fenster
gegenüber entdeckte, ließ er das Rollo spontan wieder nach unten
sausen, schlurfte in die Küche und beobachtete wie das Wasser aus
dem Filter in die Kaffekanne lief. Das Radio brachte wie üblich abgenudelte
Weihnachtssongs zum Besten. Als „Last Chrismas“ von Wham erklang, sprang
er auf und schaltete ab. Als er am Kaffe nippte, betrachtete er wohlwollend
die Nüchternheit der neuen Einbauküche, die er sich vor kurzem
gegönnt hatte. Matt-Silber und ebenso kalt wie das der Einrichtung
der Ambulanz des Krankenhauses, in dem er als Verwaltungsdirektor arbeitete.
Leise fluchte er vor sich hin. Selbst unter der
Dusche, „Sch... Weihnachten“ sagte er sich immer wieder vor. Er würde
heute wie jedes Jahr den Schwestern und Pflegern mit aufgesetztem Lächeln
und „herzlichen“ Worten sein Mitleid aussprechen, das sie an einem solchen
Tag arbeiten müssten, „bla bla bla“. Auch das würde er mit Bravour
hinter sich bringen, als Direktor musste er schauspielerisches Talent haben.
Er überlegte amüsiert, ob er die geschmacklose Weihnachtsmann-Kravatte
anziehen sollte, entschied sich dann aber doch für etwas Stilvolles,
packte die bunten Tüten mit den „Herzensgaben“ in den Kofferraum und
fuhr los.
Franz Staudacher war mit nichts zufrieden, aber
Weihnachten war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Er fluchte wie
ein Bierkutscher über die Staus in der Stadt. Diese ganzen dämlich
verklärten Gesichter in allen Autos. Die singen bestimmt alle „Driving
home for Chrismas“ mit. Sollen sie doch, aber die meisten scheinen auf
Wolke sieben zu schweben und das Gaspedal nicht zu finden. Es scheint ein
ungeschriebenes Gesetz zu sein, das am Heiligen Abend ein Tempolimit von
30 km/h gilt, selbst auf 8-spurigen Straßen. Einen Panzer müsste
man haben, schimpfte er.
Aufgeschreckt nahm er aus den Augenwinkeln wahr,
dass ein Tornadopilot der Bundeswehr scheinbar auch nicht ganz bei der
Sache war und ausgerechnet ihm im Tiefstflug die Vorfahrt nahm. Staudacher
verriss das Lenkrad und prallte mit seinem Wagen in das weihnachtlich geschmückten
Schaufenster eines Edeka-Ladens und kam erst am Regal mit Lebkuchen und
Pfeffernüssen zum stillstand, wodurch Berge mit lila Milka-Weihnachtsmännern
in stürzende Bewegung gerieten und sich über ihn ergossen. Wie
durch ein Wunder kamen keine Menschen zu schaden, da sich an der weit entfernten
Tiefkühltruhe bei einem vehementen Streit um die letzte Weihnachtsgans
zwischen Rentnerin Erna P. und Elfriede Wagenknecht ein regelrechter Volksauflauf
gebildet hatte. Während sich die eben gebildeten Menschenmassen nun
in Richtung ehemalige Süßwarenabteilung bewegten und sich um
den bewußtlosen Fahrer scharten, erschienen Franz Staudacher wundersame
Bilder vor Augen...
Eine heitere Gruppe kleiner Elfen umschwirrten
seinen Kopf, während von Rentieren gezogene Schlitten am Himmel lange
Kondensstreifen hinter sich herzogen. Gnubbelige Trolle backten lustige
Plätzchen in Form von Köpfen einiger Prominenter Menschen und
trugen Konturen aus bunten Zuckerguss auf. Verwundert schüttelte er
den Kopf, denn wer fand schon Helmut Kohl oder Container-Harry zum anbeißen?
Fröhliche Gartenzwerge, die aussahen als wären sie direkt aus
einem Walt-Disney-Comic entsprungen, trällerten fröhliche Weisen
vor sich hin während sie Unmengen an Geschenke einpackten. Überall
blinkten bunte Lichterketten vor sich hin.
„Das muß die Hölle sein“, dachte er.
Aber er fror, nicht nur angesichts des schlechten Geschmacks den die Trolle
besaßen, es war schlicht und ergreifend saukalt. Er schaute auf seine
mit allem Schnickschnack versehene Schweizer-Armee-Uhr, zog den Kompass
aus einem Seitenfach heraus und sah das der verrückt spielte. Er vermutete
am sagenumwobenem Weihnachtsmanncamp am Nordpol gelandet sein.
„Neuankömmlinge bitte im Büro melden“
schepperte es viel zu laut aus uralten Lautsprechern die hier und da an
riesigen umgedrehten Eiszapfen befestigt waren. Galt das ihm? Wie war er
überhaupt hier her gekommen? Da er nicht wusste was er sonst tun sollte
und sich ziemlich dämlich vorkam, stapfte er durch den dicken Schnee
zu der Holzhütte auf der, ganz im Las-Vegas-Stil, „Büro“ blinkte
und öffnete die Tür...
Goldenes Licht empfing ihn, ein Bollerofen glühte
viel zu heiß in einer Ecke und wie man es sich als Kind immer vorstellte,
saß ein riesiger alter Mann mit weißem Rauschebart und rotem
Mantel in einem ledernen Ohrensessel. Der blickte ihn an, während
sich Staudacher fragte sich ob er wohl heute früh irrtümlich
Drogen zum Frühstück eingenommen hatte. Er fühlte sich wie
ein kleines Kind, war auf einmal wieder der kleine Franz mit leuchtenden
Augen, welcher voller Sehnsucht auf Weihnachten und Geschenke wartete.
Es kam ihm noch nicht einmal seltsam vor als ihn der Mann hochhob, ihn
auf seinem Schoß absetzte und zunächst milde gütig durch
seinen Bart anlächelte.
„Mir ist zu Ohren gekommen Du haßt Weihnachten“,
sagte er mit leichter Strenge in der Stimme. Franz wurde von Panik ergriffen,
wie konnte der Weihnachtsmann denn so etwas behaupten? „Nein nein“ stammelte
er, „wer hat Dir das denn gesagt? Ich war artig und wünsche mir...“
Weiter kam er nicht. Er heulte Rotz und Wasser. Der kleine Franz wurde
plötzlich von den Erinnerungen des Herrn Staudacher eingeholt, der
ständig und überall seinen Standardspruch „Sch... Weihnachten
zum Besten gab. Es kam ihm vor wie ein Horrortrip. Mit jeder Träne
die er vergoß wurde sein Herz leichter. Er schien zu schweben, die
Szenerie wurde in immer dunkleres Licht getaucht bis ihm ganz Schwarz vor
Augen wurde...
„Mid näm Mordskaracho gam der Düsenjäscher
bei Rod übber de Greuzung gebraust“ erboste sich ein Sachse, der Zeuge
der Vorfälle war. „Mim Leidwerg hadder dän Märzädäs
gesdreifd, die Nummer vom Jäscher gonnd ich nich ergännen“. Streifenpolizist
Patschinsky schüttelte den Kopf und dachte er wäre im Irrenhaus
gelandet. Die wild gestikulierende und schnatternde Menschenmenge glotzte
immer noch wie gebannt auf Franz Staudacher, der jetzt langsam wieder zu
Bewußtsein kam. Er sah auf den schlappen Airbag und das Armaturenbrett,
von wo aus ihn die Milka-Weihnachtsmänner fröhlich anglotzten.
Er hatte eine unbeschreibliche tiefe Sehnsucht nach etwas, das er nicht
erklären konnte. Noch etwas zittrig stieg er aus seinem Wagen, sah
in die gespannten Gesichter der Umstehenden und spürte seine seltsame
Verwandlung.
„Frohe Weihnachten“ rief er laut und rannte zur
nächsten U-Bahn-Station... |