Kalt war ihr auch und obwohl sie gerade aufgewacht war, fühlte sie sich noch lange nicht erholt oder erfrischt. Vielmehr war sie so schlapp und uninteressiert wie schon lange nicht mehr. Uninteressiert eigentlich an allem, oder besser gesagt, eigentlich an nichts. Trotzdem stand sie auf. Das hatte sie schließlich die ganzen letzten zwölf Jahre schon so gemacht. Das ließ sich nicht so einfach abstellen. Als sie dann stand, machte sie sich gar nicht erst die Mühe, ihre Frisur zu ordnen, es sah sie sowieso niemand an. Wenn sie überhaupt jemanden traf. Das kam sowieso nicht mehr so oft vor, schließlich war es kalt geworden und da gingen eben nicht mehr soviele draußen spazieren. Aber sie machte sich auf den Weg. Schließlich mußte sie raus. Oder sollte sie vielleicht den ganzen Tag hier rumhocken? Da würde sich auch nicht viel ändern. Also machte sie sich auf den Weg. 

Wie gesagt, sie war heute nicht sonderlich fit, und so schleppte sie sich mehr die Straße entlang als dass man sagen könnte, sie liefe. Aufmerksam sah sie sich um, d.h. so aufmerksam man eben in ihrem Zustand sein konnte und das war nicht sehr viel. So übersah sie auch manche Möglichkeit, die sie sonst sicher ausgenützt hätte, aber so... Nun ja, es sollte wohl nicht sein, dies war nicht mehr ihr Tag. Und natürlich mußte sie auch über diesen dummen Bordstein stolpern. Und nun lag sie da, ihr Knöchel war total blau und dick geworden und mit dem Aufstehen wurde es auch nichts mehr. Saukalt war es, schon den ganzen Tag und dass sie hier so rumlag machte es nicht gerade wärmer. Langsam wurde es dunkel und sie schlief ein. 

Als es ganz dunkel war, kamen zwei Straßenkehrer vorbei und sahen sie am Straßenrand liegen. 

"Siehe, schon wieder ein Straßenkind, das draußen alleine erfror. Immer wieder müssen wir ihre Leichen wegräumen. Aber das gerade heute, an Weihnachten, und noch so jung."