Weihnachtsgeschichte
Birgit Essbauer am 12.11.97 

Es war einmal ein Zauberwald, in dem lebten viele Tiere und Fabelwesen. Leider hatten sich über die Jahrhunderte hinweg soviele Streitigkeiten und Fehden zwischen den einzelnen Arten und Rassen entwickelt, daß die Harmonie und die Ruhe des Waldes empfindlich gestört war. Es gab keine Feste mehr und wenn man sich begegnete, so wurde kein Gruß und kein freundliches Wort gewechselt, sondern jeder zog nur schnell den Kopf etwas tiefer zwischen die Schultern, blickte eisern zu Boden und hastete am anderen vorbei.

Es war an einem verschneiten Winterabend im Dezember, einen Tag vor dem heiligen Abend, als auf einer stillen Lichtung mitten im Waldesinneren plötzlich viele kleine Sternchen zu tanzen begannen und einen Fleck beleuchteten, wo sich die tiefweiße Schneedecke in einer kleinen Wölbung erhoben hatte. In regelmäßigen Abständen rieselten immer wieder kleine Schneekugeln von der Spitze des winzigen Hügels herab und man konnte erkennen, daß im Innern eine Bewegung entstanden war. Das Licht lockte die Bewohner des Waldes an und langsam bildete sich ein immer größerer Kreis, der das Geschehen gespannt verfolgte. Keiner konnte sich erklären, wo dieser Hügel plötzlich herkam und was sich darunter verbergen würde.

Der Tag verging und die Nacht brach herein. Es war sehr still, da keiner mit dem anderen sprechen wollte, aber inzwischen hatten sich beinah alle Bewohner des Zauberwaldes an diesem geheimnisvollen Ort zusammengefunden und harrten der Dinge, die das Hügelchen preisgeben würde. Die freien Plätze im Kreis wurden immer weniger und der Kontakt der Beobachtenden immer enger und so geschah es, daß plötzlich auch ein bißchen zur Seite gerückt wurde, wenn sich ein neuer Zuschauer einfand. Inzwischen war das Hügelchen größer und spitzer geworden und oben lugte etwas hervor, daß man jedoch noch nicht erkennen konnte. Der Tag verging und der Abend brach an - es war der heilige Abend.. Alle Bewohner des Zauberwaldes hatten sich inzwischen auf der Lichtung eingefunden und saßen bzw. standen in stiller Eintracht um das schneebedeckte, leuchtende Hügelchen. Die Luft war kristallklar und die Sterne leuchteten hell am Firmament.

Die kleinen Sternchen tanzten immer noch über dem Hügelchen auf und ab und plötzlich erfüllte heller Harfenklang die kleine Lichtung. Das Licht der Sternchen breitete sich über alle Tiere und Fabelwesen aus und ließ deren Augen leuchten, während sich aus dem Hügelchen ein kleines Weihnachtsbäumchen erhob, seine glöckengeschmückten Zweige schüttelte und mit seinen brennenden Kerzen die kleine Lichtung erwärmte. In diesem Augenblick erfüllte ein freudiges Raunen die Luft und die Bewohner des Waldes sahen sich in die durch Freude erhellten Augen, umarmeten sich und fingen an zum Harfenklang miteinander zu tanzen. Immer mehr Paare fanden sich, der Troll tanzte mit dem Eichhörnchen, die Hasendame mit dem Schneewolf, der Eisbär mit der Wetterhexe usw., usw. Es wurde gelacht und gesungen, die Lichtung erstrahlte im schönsten Licht und das kleine Weihnachtsbäumchen schüttelte im Takt seine Glöckchen. Plötzlich war nur noch Freude auf der Lichtung, alle lachten sich an und nahmen sich bei der Hand oder Pfote, um die empfundene Freude mit dem Anderen zu teilen. 

Von diesem Weihnachtsabend an gab es im Zauberwald keinen Streit und keine Fehde mehr, jeder begrüßte den anderen freundlich und herzlich, wenn er ihm begegnete und wenn jemand Hilfe brauchte, so ging er einfach auf die Lichtung, wo das Bäumchen dann für ihn die Glöckchen schüttelte, um Hilfe herbeizurufen.

Wie schön wäre es, wenn auch in unserem heutigen Zauberwald einmal ein kleines Weihnachtsbäumchen unter der dicken Schneedecke hervorlugen würde, um die Menschen wieder an das Wesentliche des Weihnachtsabends zu erinnern...