Als
ich aufschaute, blickte ich direkt in ein Paar sanfte dunkle Augen, die
mich mitleidig zu betrachten schienen und mir seltsam vertraut vorkamen.
Der Delphin lag ganz ruhig im Wasser, in aller Stille musste er sich uns
genaehert haben. Wie lange er wohl schon da war?
Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, erhob ich mich und ging vorsichtig auf ihn zu. Er schien jedoch keinerlei Angst zu haben. Im Gegenteil, er gab kleine keckernde Laute von sich, als ob er mich ermuntern wollte, zu ihm zu kommen. Ich erkannte die Geisterstimme vom Abend zuvor und als ich ihn erreicht hatte, an der Stelle, wo nach ein paar Schritten im Wasser sich der tiefe Abgrund auftun wuerde, liess er sich von mir ohne Scheu die kurze schnabelartige Schnauze streicheln und die glatte Stirn, die sich wie eine kleine Melone hinter seiner Schnauze aufwoelbte. Er genoss sichtlich die Beruehrung meiner Haende, paddelte ein wenig mit den Seitenflossen (den Flippern, wir mir Georg spaeter noch erklaeren sollte) und legte sich auf die Seite, so dass ich seinen Bauch kraulen konnte. "Sein Bauch ist schneeweiss!" rief ich Georg zu, der uns fasziniert beobachtete. "Und sein Kopf ganz hellgrau, aber der Ruecken total dunkel!" "Ein wirklich aussergewoehnliches Exemplar!" bestaetigte Georg meinen stolzen Verdacht. Ich beugte mich vor und drueckte dem Tuemmler einen Kuss auf die Nase, rechnete allerdings nicht mit seiner Reaktion und wurde total ueberrumpelt von dem Schauspiel, das er daraufhin bot. Er tauchte blitzartig zur Seite weg, war nicht mehr zu sehen, schnellte ploetzlich kerzengerade aus dem Wasser, sauste - scheinbar auf seiner Schwanzflosse balancierend - mehrere Meter rueckwaerts durch die Bucht, wobei er Laute von sich gab, die mich an das glueckliche Lachen von fröhlich spielenden Kindern erinnerten, liess sich dann stocksteif nach hinten fallen, tauchte unter, kam wieder hoch und schlug tatsaechlich Saltos in der Luft! Derart ausgelassen benahm er sich, dass er Georg und mich total ansteckte. Wir fassten uns an den Haenden und tanzten wie die Verrueckten kichernd im seichten Wasser herum, bis ich schliesslich Angst bekam, Georg koenne - bei seinem Alter! - einen Herzinfarkt erleiden und ihn zurueck zum Strand dirigierte, wo wir erschoepft und ausser Atem auf die Kieselsteine sanken. Einige Minuten hielt das alberne Kichern jedoch noch an, bevor wir uns endlich beruhigten. "Was ist das nur fuer ein verruecktes Tier?" fragte ich mit Blick auf den Tuemmler, der da draussen immer noch Kapriolen schlug. "Keine Ahnung", keuchte Georg, "jedenfalls hat er sie irgendwie nicht alle!" Ein Delphin, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Wir mussten schon wieder schrecklich lachen. Ploetzlich sah ich ihn nicht mehr. "Wo ist er?" fragte ich Georg, doch auch er konnte ihn nirgends entdecken. "Wahrscheinlich faengt er sich eine Mahlzeit", vermutete mein neuer Bekannter. "Wollen wir nicht auch etwas zu uns nehmen? Du hast doch sicher Hunger, oder?" Jetzt, wo er es sagte, merkte ich es erst. Ich hatte wirklich schrecklichen Hunger, die Zeit war so schnell verflogen, in ein oder zwei Stunden wuerde schon die Sonne untergehen. Wir beschlossen, ein kleines Lagerfeuer am Strand zu machen, um eine eventuelle Rueckkehr des Delphins nicht zu verpassen, versorgten uns mit diversen Lebensmitteln aus Georgs Speisekammer und grillten Wuerstchen mit Folienkartoffeln. Wir hatten uns dazu auf Decken bequem ausgebreitet, tranken Rotwein und erzaehlten einander aus unserem Leben. Als es
kuehler wurde, lieh mir Georg ein paar wärmende Kleidungsstuecke von
sich, rief im Hotel Bellevue an, damit sich Madame Munoz keine Sorgen machte
und bat sie, meine Sachen vom Hotel zu ihm zu schicken, denn ich wuerde
hier bleiben.
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