Von
Osten her gelangte ich in die Stadt, fuhr so weit es ging geradeaus in
Richtung Kueste und bog dann ab zum Hafen mit angrenzendem Zentrum der
Stadt. Kaum hatte ich die Kraene und Gerueste der Schiffswerft passiert,
tauchte ich auch schon ein in das chaotische Hafenleben. Die Strasse gesaeumt
von Cafés, Tabaklaeden, Baeckereien, kleinen Hotels und Pensionen,
links und rechts beparkt mit einheimischen und Touristenautos, zwischen
sich kaum mehr Platz lassend fuer den Verkehr, der - sich froehlich anhupend
- staendig den Fastzusammenstoss probte, um trotz der gegebenen Umstaende
schnellstmoeglich aneinander vorbei zu funktionieren. Dazwischen tummelten
sich Kinder, Rentner mit Hunden, sonnengebraeunte Touristen, alt- und weniger
alteingesessene Franzosen. Alle plauderten zwischen Tuer und Angel oder
nahmen ein zweites Fruehstueck zu sich, tranken einen ersten Kaffee, bummelten
durch Souvenirlaeden oder hoerten auf der gegenueberliegenden Seite den
noch nicht lange vom fruehmorgendlichen Fischfang zurueckgekehrten Fischern
zu, die ihre Ware zum Verkauf nach Gewicht feil boten.
Ich hatte das Radio ausgeschaltet und das Seitenfenster heruntergekurbelt, ich liebte das bunte laute Treiben und den besonderen Flair der Luft: ein Gemisch aus den Geruechen nach Sonne, Fisch, Oel, Meer, Abgasen, Baeumen und diversen anderen Dueften, die - von hier und da kommend - ihren Teil dem wuerzigen Parfum zusteuerten, das es nirgendwo auf der Welt in Flaschen zu kaufen gibt. In einer
kleinen Seitenstrasse, noch mit Blick zum Hafen, lag das Hotel Bellevue
- unser Hotel. Ich ergatterte einen Parkplatz kurz davor, liess
mein Gepaeck vorerst noch im Auto und betrat das kleine schiefe, in hellblauer
Farbe verputzte Haeuschen. Die Wirtin vom letzten Jahr, Madame Munoz, sass
- als haette sie sich seit unserem letzten Besuch nicht vom Fleck geruehrt
- wie immer in ihrer Ecke am Fusse der Treppe. die winzige Moechte-gern-Rezeption
ihres Hotels grenzte sich zu den Gaesten hin durch eine kleine Theke ab,
in die ein Fischaquarium eingelassen war.
Angesichts des schoenen sonnigen Wetters verspuerte ich keine Lust mehr, weiter mit dem Auto umherzufahren, packte ein paar Sachen in einen kleinen Lederrucksack und verbrachte den Nachmittag damit, durch die Stadt zu schlendern. Ohne dass ich es wollte, wurde der Spaziergang zu einem Deja vu-Trip. Hier war das Café mit den bunten Faehnchen, in dem wir immer gefruehstueckt hatten, da etwas weiter das andere mit den gruen bepolsterten Rattanstuehlen, wo man am laengsten in der Sonne sitzen konnte und wir uns oft noch spaetnachmittags aufhielten, Menthe a l'eau tranken und in unseren Buechern schmoekerten. Dort war das kleine Restaurant, das wir eines Abends entdeckt hatten, mit dem sympathischen jungen Wirt, der uns als einzigen Gaesten fantastisch zubereitetes Couscous servierte. Am Strand das Maeuerchen vor den steinernen Umkleidekabinen - damals hatten wir hier an unserem ersten Tag ein Picknick veranstaltet und Rob hatte sich mutig ins eiskalte Wasser gewagt - allerdings nur bis zu den Knien. Da drueben war der Imbiss, der so lecker belegte Baguettes verkaufte, und dann kam ich auch an der Boucherie vorbei, in der Rob damals heimlich meinen Heisshunger nach Gefluegel befriedigte, mit dem ich ihn schon den ganzen Tag genervt hatte - er verschwand naemlich ploetzlich kurz und drueckte mir dann (schelmisch grinsend) eine heisse fettige Tuete in die Hand, drinnen befand sich - ein ganzes gebratenes Haehnchen Ich musste auflachen in Erinnerung an die Szene und da geschah es: Zum ersten Mal kam der Schmerz frei, trieb mir in seiner Heftigkeit Traenen in die Augen - hier und jetzt vermisste ich ihn schrecklich... |