... Aus jener Zeit erreichen
uns Geschichten über Stammesführer, die selbst zu Legenden wurden,
als sie ihren Stamm in neue, an Nahrung reiche, Gebiete führten. Jene
Helden der Mascardez sind bis heute unvergessen.......
Es wird von einem Stammesführer,
der den Namen Unez - der starke Arm - trug, erzählt. Er soll sein
Volk tagelang auf der Suche nach einer neuen Heimat ohne Nahrung und Wasser
durch die Hochlande geführt haben. Die Sonne hatte den Boden ausgetrocknet.
Hier wuchs und lebte alles nur sehr karg. Die wenigen Wurzeln, die hier
ausgegraben werden konnten und verzehrbar waren, reichten nicht aus um
den Stamm überleben zu lassen. Die Lage wurde von Tag zu Tag verzweifelter.
Die Vorräte waren fast aufgebraucht und die Jäger kamen immer
seltener mit Beute zurück. Tagelang hatten sich am Himmel keine Regenwolken
gezeigt.
Doch Unez gab nicht auf. Er
führte sein Volk weiter an den Schluchten entlang, die das Hochland
durchzogen.
Es geschah an einem Abend,
als die Sonne blutrot unterging und er in den Sonnenuntergang starrte.
Er stand am Rande einer der Schluchten. Unter ihm klaffte die scheinbar
bodenlose Tiefe, in die sich niemand hinab wagte, weil dort die bösen
Geister und Dämonen leben sollten.
Während er so da stand
und über das Schicksal, das die Götter ihm und seinem Stamm aufgebürdet
hatten, hörte er einen krächzenden Schrei. Das heißt, es
war kein Schrei, sondern eher ein Ruf, der wie von einem großen Vogel
stammen mußte. Er ging diesem Ruf einige Meter hinterher, bis er
vor einem vom Sonnenuntergang geröteten Felsen stand. Das Krächzen
kam von genau dahinter. Unez griff seinen Kampfspeer mit der Steinspitze
fester und ging um der Felsen herum. Dahinter sah er einen Adler mit einem
gebrochenen Flügel, der halb verhungert sein mußte. In den Augen
des Tieres lag Furcht. Und dann sah Unez auch den Grund : Von der Schlucht
her kroch eine große Niaga, eine große Echse ohne Beine, die
sich immer nur am Boden bewegen kann, auf ihn zu.
Die Sage sagt, daß die
Niaga einmal die Götter erzürnt hatten und zur Strafe waren ihnen
die Beine genommen worden, auf daß alle Welt auf sie mit Abscheu
herabblicke und von ihrem Aussehen Widerwillen habe. In ihrer Verbitterung
über ihr Schicksal würden sie böse und neidisch auf die
Wesen, die gehen konnten und nicht immer den Kopf im Staub haben mußten.
Seitdem kriechen sie über das trockene Land und jagen hinterlistig
in Tarnung liegend nach Beute. Es gibt sehr viele Niagas hier in den Hochlanden
wo der Staub und Sand ihren ekelhaften Körpern eine wunderbare Tarnung
bietet. Jedem Stammeskind wird die Gefahr der Niaga - Volk der Bestraften
- beigebracht, denn ihr Blick ist lähmend und ihr Biß giftig.
Und diese Niaga war ein besonders
großes Exemplar. Gar herzzerreißend krächzte der Adler
um Hilfe. Eigentlich wäre Unez geflüchtet, aber dann sah er den
Adler an und konnte nicht anders als Mitleid empfinden.
Er stellte sich diesem Untier
mit dem Speer entgegen. Die Niaga erkannte den Gegner und spannte den Körper
zum Angriff. Ihr Kopf mit dem weit aufgerissenen Maul und den von Geifer
und Gift blitzenden Zähnen schoß auf ihn zu. Unez sprang zurück
und entkam so um Haaresbreite dem Tod. Aber er stolperte und fiel auf den
Rücken wobei ihm der Speer aus der Hand fiel. Die Niaga bereitete
sich zum zweiten Angriff. Unez kam wieder auf die Knie in dem Moment als
das Untier auf ihn zuschnellte. Schützend hob Unez seine Arme vor
sich und bekam die Niaga zu fassen. Auge in Auge starrten sie sich an,
ihre Köpfe höchstens 3 Finger breit voneinander entfernt. Und
Unez spürte nicht einmal wie sich der Körper der Niaga langsam
um ihn wand, so fasziniert war er von den Augen, in die er starrte. Er
tauchte in sie ein, wie in zwei klare Seen. Immer tiefer und tiefer. Unez
war unfähig sich zu bewegen.....
Dann, als es schien, als wäre
Unez verloren, gab die Niaga ein Schrei des Schmerzes von sich. Der Adler
war mit letzter Kraft zu der Niaga gekrochen und auf ihren Rücken
geklettert. Mit der Kraft der Verzweiflung hatte er seine Krallen und seinen
Schnabel in die Haut des Ungetüms gebohrt. Unter ihren Schmerzen verlor
die Niaga kurzzeitig den Blick in Unez´ Augen. Wie aus einem Alptraum
erwachte er und erkannte die unmittelbare, tödliche Gefahr. Jetzt
besaß er aber wieder seinen Willen und seine Kraft. Seine Hände
griffen den Hals der Niaga und riß sie von sich. Die Niaga wand sich
unter seinem unbarmherzigen Griff. Der Adler fiel von ihr herunter und
blieb nach Luft hechelnd im länger werdenden Schatten des Felsens
liegen. Hoch über seinen Kopf hielt Unez die Niaga. Er spannte seine
Muskeln und man hörte ein fürchterliches Knacken, als die Knochen
des Untiers brachen. Mit weitem Schwung warf Unez, der starke Arm, die
Niaga in die Schlucht, so weit von sich wie er nur konnte. Grotesk drehte
sich der lange Körper der toten Niaga, bis er schließlich in
der Finsternis der Schlucht für immer verschwand. Unez sah ihr einen
Moment nach und erinnerte sich dann an seinen kleinen Lebensretter......zum
ersten Mal konnte er sich den Adler genauer ansehen :
Sein Gefieder war zwar von
rotbraunem Sand und Staub verklebt und wenig ansehnlich, aber das
Schneeweiß seines Kopfes war trotzdem erkennbar. Eine seiner Krallen
war bei dem Kampf abgebrochen, wodurch das Nagelbett leicht blutete. Der
herabhängende Flügel hatte sich noch weiter verdreht. Und doch
strahlte der Adler immer noch einen Hauch der Würde aus, die seiner
Art eigen war.
Unez kniete sich zu dem Adler
hinab, nahm ihn so zart wie er konnte in seine Hände und hob ihn hoch.
"Mein kleiner Lebensretter ! Wie kann ich Dir nur danken ? Ich werde
Dich mitnehmen und gesund pflegen. Du wirst sehen in weniger als 3 Monden
wirst Du wieder fliegen können."
Der Adler legte den Kopf schief
und sprach zu Unez :
"Du hast MIR das Leben gerettet
Unez ! Dein Leben hast Du für mich in Gefahr gebracht. Dein Herz ist
wahrlich groß und edel. Führe Dein Volk nach Sonnenaufgang nach
dem Flug des Adlers und Ihr werdet gerettet sein."
Mit diesen Worten veränderte
sich der Adler. Sein Gefieder nahm einen goldbraunen Glanz an, der Sand
fiel von ihm ab und wie durch ein Wunder heilte sein Flügel von einem
Augenblick zum Anderen. Dann erhob er sich in die Lüfte.
"Werden wir uns wiedersehen,
oh Herr der Lüfte und Winde ?" Rief Unez und fiel dabei auf die Knie.
"Noch bevor der die Sonne
dreimal ihren höchsten Stand erreicht hat. Erwarte mich Unez, vom
Stamm des Adlers."
So sprach der Adler und verschwand
in der Dunkelheit. Unez blickte ihm nach. Das einzige was ihn davon überzeugte
nicht geträumt zu haben war eine goldbraune Feder die von Himmel herab
genau in seinen Schoß fiel. Es war keine alte Feder, wie ein Adler
sie verliert, wenn sich sein Gefieder erneuert. Nein ! Es war eine Feder,
so edel und schön, wie sie nur einer der prächtigsten Adler mit
dem stolzesten aller Federkleider sie trägt. Ja ! Es war eine Gabe.
Die Feder fühlte sich so weich und sanft an, wie die Wange einer wunderschönen
Frau und doch so stark und machtvoll! Vor Rührung rollte Unez
eine einzelne Träne aus den Augen. Um die Feder immer bei sich zu
tragen, band er sie sich mit einem Lederriemen um seinen rechten Oberarm.
So kehrte er zu seinem Stamm
zurück. Er befahl die Nacht zu ruhen und mit den erstem Morgenlicht
aufzubrechen. Und so geschah es.
Kaum war sein Stamm unter
seiner Führung wieder aufgebrochen, als am Himmel schon ein Adler
kreiste. Die mächtigen Schwingen ausgebreitet, für den majestätischen
Gleitflug, wie er nur von solch edlen Vögeln beherrscht wird.
Unez folgte dem Adler, immer
an der Schlucht entlang, bis der Adler schließlich auf einem Felsen
in einiger Entfernung landete und sein Gefieder zu putzen begann. Als Unez´
Stamm auf 50 Schritt heran gekommen war, schwang sich der Adler wieder
in die Lüfte und stieß hinab in die Schlucht, woraus er wenige
Augenblicke später wieder auftauchte und über dieser Stelle zu
kreisen begann. Unez und 3 Krieger untersuchten den Felsen und fanden einen
schmalen abschüßigen Pfad, der genau hinab in die Schlucht führte.
In die Gebiete wo Dämonen
herrschen ? Und dennoch wies der Adler diesen Weg ? Unez brauchte lange
um sich zu entscheiden, aber der Wille des Adlers war eindeutig. Und noch
länger brauchte er um seinen Stamm zu überzeugen, diesen Weg
einzuschlagen. Schließlich wagten sie das Unbekannte. Verhungern
und verdursten oder das Unbekannte - die Entscheidung fiel zwar nicht leicht,
aber Unez überzeugte Entschlossenheit gaben den Ausschlag.
Der Weg war zwar steil, aber
doch sicher. Sein Stamm begann mit dem Abstieg. Mehr und mehr Adler erschienen
am Himmel. Große Adler, größer als alle von denen jemals
berichtet wurde. Und sie schienen über Unez´ Stamm zu wachen
! Hin und wieder stieß einer dieser Riesenadler hinab in die Schlucht
und kam mit dem erschlafften Körper einer Niaga in den blitzenden
Klauen wieder hoch. Es war tatsächlich so, daß die scharfen
Augen der Adler über den Weg von Unez´ Stamm wachten. Der Adlergott
hatte seine großen, legendären Kampfadler geschickt.
Auch sein Stamm fing an zu
verstehen, daß die Adler sie leiteten und beschützten. So faßten
auch alle anderen von Unez´ Stamm Vertrauen.
Als sie den Boden der Schlucht
erreichten, sahen sie nicht von Dämonen verseuchtes Land sondern:
Die Sonne stand jetzt hoch
am Himmel. Die Wärme und das Licht ihrer Strahlen, fanden ihren Weg
herunter. Die gesamte Schlucht war mit Gras, Büschen und Bäumen
bedeckt, die zwar nicht so groß waren, wie in den alten Ebenen, aber
dafür so grün, wie nie zuvor. Verstreut fielen Wasserfälle
aus den Wänden der Schlucht in die Tiefe und bildeten kleine Seen
und Tümpel, aus denen kleine Wasserläufe sich irgendwo verliefen.
Das Licht blitzte in diesem Naturereignis, das niemand von Unez´
Stamm jemals gesehen hatte. Sogleich stieß ein Adler herab in die
Fluten eines dieser Seen und hielt sogleich einen Großen Fisch in
den Fängen, ein anderer Adler strich über eine Ansammlung von
Bäumen, worauf sich ein Schwarm verschreckter Vögel in die Lüfte
hob und verärgert zu schimpfen begann. Es klang wie Musik in den Ohren
des Stammes.
Der größte Adler,
mit dem goldbraunen Gefieder, aber landete auf einem einzelnen Felsen vor
einer großen Ansammlung von Höhlen. Das Licht erfaßte
den Adler jetzt voll und ließ ihn einen Augenblick, wie aus Gold
erscheinen. Unez verstand das Zeichen. Hier würden sie sich niederlassen
! Ja genau hier und nirgendwo anders !
Als Unez seinen Entschluß
bekannt gab, vermischte sich der Jubel seines Stammes mit etwas anderem.
Dem Ruf von Hundert Adlern. Erst dann richtete sich der Blick aller auf
die andere Seite der Schlucht. In der Wand waren Dutzende von Felsnischen.
Und in fast jeder befand sich der Horst eines Adlerpaares, die jetzt zu
ihren neuen Gefährten hinab sahen. Nie mehr würde Unez´
Stamm oder die Adler allein sein, hier im Tal der Adler ...........................
©
Aicron
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