Mystique Teil 2b
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Bei der ersten Berührung schwang die blaue Tür kraftvoll nach außen auf und ein Schwall gleißenden weißen Lichts traf die Eintretenden. Robyn schloss reflexartig die Augen und stolperte vorwärts, Mork versuchte, sie zu überholen und warf sie fast um in seinem Eifer, dem unheilvollen Gang zu entfliehen. Doch die augenblicklich wieder hinter ihnen zuschlagende Tür versperrte was immer ihnen folgen wollte den Weg.

Robyn war bei dem Geräusch des Zuschlagens herumgewirbelt, doch sie konnte nur noch verschwommen erkennen, wie sich die Fläche und Konturen der Tür - die aus dieser Perspektive keine blaue Farbe mehr hatte, sondern eine weiße -  in ihrer Umgebung einfach auflöste, als würde sie wie weiße Milch mit einem Klumpen Teig verrührt bis sich beide zu einer gelben Masse verbunden hatten. Einer hellgelben Masse mit braunen und grünen Tupfen. 

Robyn zwinkerte einige Male, bis sich die Wahrnehmung ihrer geblendeten Augen wieder normalisiert hatte und erkannte vor sich ein Feld voller Sonnenblumen

Es war ein riesiges Feld, das sich unendlich hinzog. Nach allen Seiten. Wirklich allen Seiten: Sie stand inmitten eines unendlichen Sonnenblumenozeans, der in einer sanften warmen Brise unter blauem Himmel dem Horizont entgegenwogte. Ein schwarzer Fleck hüpfte einem Gummiball gleich einige Meter entfernt in diesem Meer von Blumen auf und ab, fröhliche "O-hk, o-hk"-Laute von sich gebend. Robyn brauchte ein paar Sekunden, bevor sie erkannte, dass es sich um Mork handelte (diesen seltsamen Lauten verdankte der Hund seinen Namen: als sie den Welpen hinter den Gittern seiner Tierheim-Behausung leichthin mit "Na Kleiner, wo kommst du denn her?" angesprochen hatte, kam als Erwiderung ein feierliches "O-hk", das sich wir Ork anhörte. So taufte sie ihn Mork, wie Mork vom Ork, der Titel einer alten kultigen Comedy-Serie mit Robin Williams.)

Ich muss die Leine losgelassen haben, als wir durch die blaue Tür gekommen sind, dachte sie. Doch als sie Mork zu sich rief, stellte sie fest, dass es keine Leine mehr gab. Und auch kein Halsband. Und als sie an sich herunter sah, bemerkte sie den Grund dafür, warum es ihr in diesem warmen Klima nicht heiß geworden war - die Kleidung, die sie getragen hatte, war auch nicht mehr. Stattdessen umschmeichelte ein zartes geblümtes Sommerkleid  ihre schlanke Gestalt bis zu den nackten Füßen. Dem Gefühl auf ihrer Haut nach handelte es sich bei dem Stoff um fließende Rohseide. 

Robyn griff sich auf den Kopf und nahm den niedlichen Strohhut ab, der dort plötzlich saß. Dann plumpste sie entkräftet auf den Boden und plättete dabei ein paar von den Sonnenblumen, die sich darauf hin mit empörten kleinen Stimmchen bemerkbar machten, seitlich ihres Allerwertesten hervorkrochen, um sich gleich darauf wieder aufzustellen. 

Als sich eine davon vor ihr Gesicht neigte und ihr ein entrüstetes "Das war sehr unhöflich von dir!" entgegenpiepste, beschloss Robyn, eine kurze Auszeit zu nehmen, kippte der Länge nach nach hinten um (was erneut einige SonnenblümlerInnen gegen sie aufbrachte) und entfleuchte ins Land der Träume.

Im Land der Träume waren die Sonnenblumen durch silberne Rosen ausgetauscht, deren betörender Duft wie diamantener Nebel über ihnen schwebte. An einer Stelle konzentrierte er sich zu zu einer Windhose, die beim Näherkreiseln die Gestalt eines spindeldürren gesichtslosen Mannes annahm. Der diamantene Lulatsch drehte sich in Spiralen auf Robyn zu, verhielt vor ihr und streckte ihr seine beiden Hände entgegen, die zu schimmernden Fäusten geballt waren. Als er sie öffnete, tanzte auf der linken Handfläche ein winziger goldener Ball und auf der rechten ein ebensolcher in Regenbogenfarben. Er sang zu ihr, ohne dass es eines Mundes in seinem Gesicht bedurft hätte. Sie hörte seine Stimme in ihrem Gedanken: "Wähle Wach woanders wogen Wellen weiter".

Was will er? Dämlicher Traum. Jetzt hält er mir diese reizenden Kugeln direkt vor die Nase. Also gut, offensichtlich will er, dass ich eine nehme. Vielleicht gibt er ja dann Ruhe...

Und Robyn griff in ihrem Traum nach der
 

goldenen
regenbogenfarbenen
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